Die letzten Tage von Pompeji
laut an die Thüre.
Bald darauf hörte man, wie die schweren Riegel zurückgeschoben wurden und, die Thüre halb öffnend, fragte der Pförtner, wer da sei.
»Arbaces – wichtige Geschäfte bei Sallust, in Bezug auf Glaukus, ich komme vom Prätor.«
Halb gähnend, halb stöhnend ließ der Pförtner die hohe Gestalt des Egypters ein. Nydia stürzte vor mit dem Ausruf: »Wie geht's ihm? Sag' es mir – sag' es mir!«
»Ah, närrisches Mädchen, bist Du's noch immer? – Schäme Dich doch. Nun ja, sie sagen, er sei wieder bei Verstand.«
»Die Götter seien gepriesen! – Und Du willst mich nicht einlassen? Ach ich bitte Dich –«
»Dich einlassen! – Nein. Einen saubern Gruß würd' ich diesen Schultern bereiten, wenn ich Geschöpfe Deiner Art einließe! Geh heim!«
Die Thüre wurde verschlossen und mit einem tiefen Seufzer legte sich Nydia noch einmal auf die kalten Steine nieder, hüllte das Gesicht in ihren Mantel und begann von Neuem ihre traurige Nachtwache.
Unterdessen war Arbaces bereits in das Triklinium eingetreten, wo Sallust mit seinem Lieblingsfreigelassenen noch spät zu Abend speiste.
»Was, Arbaces! Und um diese Stunde – nimm diesen Becher!«
»Mein guter Sallust, um eines Geschäftes, nicht um des Vergnügens willen, wage ich Dich zu stören. Wie befindet sich Glaukus? – In der Stadt sagt man, er sei wieder zur Besinnung gekommen.«
»Ach ja,« antwortete der gutmütige, aber gedankenlose Sallust, sich eine Thräne aus dem Auge wischend; »aber so erschüttert sind seine Nerven und seine ganze Constitution, daß ich den glänzenden und munteren Zecher, der er bis daher war, kaum wieder erkannte. Das Sonderbarste jedoch ist, daß er über die Ursache des plötzlichen Wahnsinns, der über ihn kam, durchaus keine Rechenschaft zu geben vermag – er hat nur eine dunkle Erinnerung dessen, was vorgegangen ist, und betheuert, trotz Deines Zeugnisses, weiser Egypter, seine Unschuld an dem Tode des Apäcides.
»Sallust,« erwiderte Arbaces ernst, »in der Lage Deines Freundes liegt Manches, das besondere Rücksicht verdient und könnten wir aus seinem Munde das Bekenntnis und die Beweggründe seines Verbrechens erfahren, so ließe sich noch viel von der Gnade des Senats hoffen; denn der Senat hat, wie Du weißt, die Macht, das Gesetz zu mildern oder zu schärfen. Deshalb nun habe ich mich mit der ersten obrigkeitlichen Person der Stadt besprochen und die Erlaubnis ausgewirkt, heute Nacht eine Privatunterredung mit dem Athener zu halten. Morgen, wie Du weißt, wird die gerichtliche Verhandlung stattfinden.«
»Gut,« sagte Sallust, »Du wirst Dich Deines morgenländichen Namens und Rufes würdig erzeigen, wenn Du irgend etwas von ihm herausbringen kannst – aber versuch's; armer Glaukus – er hatte einen so vortrefflichen Appetit! Jetzt ißt er nichts.«
Der gemüthliche Epikuräer ward bei diesem Gedanken sichtbar gerührt. Er seufzte und befahl seinem Sklaven, seinen Becher wieder zu füllen.
»Die Nacht schwindet,« sagte der Egypter, »gestatte mir also jetzt Deinen Gefangenen zu sehen.«
Sallust nickte bejahend und führte den Advokaten nach einem kleinen Gemach, das von außen durch zwei schläfrige Sklaven bewacht wurde. Die Thüre ging auf; auf das Begehren des Egypters zog sich Sallust zurück – der Egypter war allein bei Glaukus.
Auf einem jener hohen und anmuthigen Kandelabern, die damals gebräuchlich waren, brannte eine einzige Lampe neben dem kleinen Bett. Blaß fielen ihre Strahlen auf das Gesicht des Atheners, und sogar Arbaces ward gerührt, als er sah, welch beträchtliche Veränderung in diesem Gesichte vorgegangen war. Die blühende Farbe war verschwunden, die Wangen eingefallen, die Lippen verzerrt und bleich; erbittert war der Kampf zwischen Vernunft und Wahnsinn, Leben und Tod gewesen; die Jugendkraft des Glaukus hatte den Sieg davongetragen; aber die Frische des Blutes und der Seele – des Lebens Leben, seine Herrlichkeit und seine Würze waren für immer entschwunden.
Der Egypter setzte sich leise neben das Bett; Glaukus lag noch immer stumm und ohne seine Gegenwart zu bemerken, da. Endlich begann Arbaces nach langer Pause: »Glaukus, wir sind Feinde gewesen. Ich komme zu Dir allein und in der Stille der Nacht – als Dein Freund, vielleicht Dein Retter.«
Wie das Roß, wenn es die Nähe des Tigers wittert, erschrickt, so sprang Glaukus auf – athemlos, beunruhigt, keuchend bei der unerwarteten Stimme; der plötzlichen Erscheinung seines Feindes. Ihre Augen
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