Die letzten Tage von Pompeji
unserem Belieben schalten zu lassen, ist ein gegen den Besitz selbst gerichteter Angriff.«
»In den guten Zeiten der Republik war es nicht so,« seufzte Sallust.
»Diese angebliche Großmuth gegen die Sklaven beraubt überdies das Volk einer seiner größten Vergnügungen. Ach! welche Freude hat es an einem hartnäckigem Kampfe zwischen Menschen und Löwen, und wegen dieses verdammten Gesetzes wird es auf dieses unschuldige Vergnügen verzichten müssen, wenn uns die Götter nicht bald einen großen Verbrecher zusenden.«
»Was kann unpolitischer sein,« sagte Klodius mit affektirter Ernsthaftigkeit, »als dem Volk sein Hauptvergnügen zu verkümmern?«
»Dank dem Jupiter und dem Fatum, daß wir gegenwärtig keinen Nero mehr haben,« sagte Sallust.
»Der war in der That ein Tyrann, denn er ließ unser Amphitheater zehn Jahre lang schließen.«
»Ich wundere mich,« sagte Sallust, »daß es keinen Aufstand zur Folge hatte.«
»Beinahe wäre es dazu gekommen,« versetzte Pansa, der den Mund voll Wildschweinbraten hatte.
Hier wurde die Unterhaltung für eine kurze Zeit durch einen Flötentusch unterbrochen, und zwei Sklaven traten mit einer einzelnen Schüssel ein.
»Welchen Leckerbissen hast Du da für uns aufbewahrt, mein lieber Glaukus?« fragte der junge Sallust mit funkelnden Augen.
Sallust war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber er kannte keinen größeren Lebensgenuß, als das Essen; vielleicht hatte er alle übrigen bereits erschöpft. Doch fehlte es ihm nicht an Verstand, und er hatte, so weit es ihm möglich war, ein vortreffliches Herz.
»Beim Pollux!« rief Pansa, »ich seh's ihm an; es ist ein ambracisches Zicklein! Ho!« fuhr er fort, (mit den Fingern schnippend, was das übliche Zeichen war, um die Sklaven herbeizurufen), »wir müssen dem neuen Ankömmling eine zweite Libation darbringen.«
»Ich hoffte, Euch mit brittischen Austern bewirthen zu können,« sagte Glaukus traurig, »aber die Winde, die gegen Cäsar so ungünstig waren, haben es nicht zugelassen.«
»Sind sie wirklich so köstlich?« fragte Lepidus, indem er seine Tunika, deren Gürtel bereits gelöst war, auseinanderschlug, um es sich noch bequemer zu machen.
»Ach! ich kann mich der Vermuthung nicht erwehren, daß nur die Entfernung ihren hohen Preis bestimme; sie haben den feinen Geschmack der brundysischen Austern nicht, aber in Rom glaubt man, ohne diese Austern sei kein Abendessen vollständig.«
»Dir armen Britten!« meinte Sallust. »Sie haben doch etwas Gutes an sich! Ihr Land liefert Austern.«
»Ich wünschte, sie verschafften uns einen Gladiator,« sagte der Aedil, dessen mit der Zukunft beschäftigter Geist unaufhörlich an die Bedürfnisse des Amphitheaters dachte.
»Bei der Pallas!« rief Glaukus, als sein Lieblingssklave einen frischen Kranz um seine dunstende Stirne wand, »ich bin wohl ein großer Freund solcher wilden Schauspiele, wenn Thiere gegen Thiere kämpfen; wenn aber ein Mensch mit Fleisch und Blut, wie wir, kaltblütig in die Arena getrieben, und ihm ein Glied um das andere abgerissen wird, so ist die Theilnahme allzuschrecklich. Mir wird übel, ich kann kaum mehr athmen; es treibt mich an, mich hinabzustürzen und zu seiner Vertheidigung hin zu eilen. Die Freudenrufe des Volkes kommen mir schrecklicher vor, als das Geschrei der dem Orestes verfolgenden Furien. Es freut mich, daß wir, allem Anscheine nach bei den nächsten Festspielen dieses blutige Schauspiel nicht haben werden.«
Der Aedil zuckte die Achseln. Der junge Sallust, der für den gutmüthigsten Menschen Pompeji's galt, sah ganz erstaunt darein; der anmuthige Lepidus, der aus Furcht, seine Gesichtszüge zu entstellen, selten sprach, rief: » Beim Herkules! « Der Parasit Klodius murmelte: »Ädepol!« und der sechste Theilnehmer am Feste, der Schatten des Klodius, [Fußnote: Eine sehr merkwürdige und interessante Abhandlung ließe sich über die Parasiten der Griechen und Römer schreiben. Bei den ersteren waren sie jedoch noch mehr verachtet, als bei den letzteren. Die Briefe des Alciphorn schildern sehr lebhaft die Beleidigungen, denen sie sich für ein Mittagsmahl unterzogen; einer beklagt sich, daß ihm Fischsauce in die Augen gegossen – daß er an den Kopf geschlagen worden sei, und mit Honig bestrichene Steine zu essen bekommen habe, während ein Freudenmädchen eine mit Blut gefüllte Blase nach ihm geworfen habe, die ihm im Gesichte zerplatzt sei. Die Art, in welcher diese Parasiten die Gastfreundschaft ihrer Wirthe
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