Die letzten Tage von Pompeji
Plautus anführte.
»Oh, wie gut kenne ich diese Polypen, die Alles festhalten, was sie berühren,« antwortete Sallust in demselben Tone und aus demselben Stücke.
Der zweite Gang, der aus einer großen Mannigfaltigkeit von Obst, Pistazien, süßen Speisen, Torten und Backwerk bestand, das tausenderlei seltsame Formen darbot, wurde aufgetragen, und die Diener stellten auch Wein, der bis jetzt den Gästen herumgereicht worden war, in großen, gläsernen Flaschen auf, an deren jeder ein Zettel das Alter und die Beschaffenheit des Inhalts anzeigten.
»Koste diesen Lesbier, mein Pansa,« sagte Sallust, »er ist vorzüglich.«
»Er ist nicht sehr alt,« erwiderte Glaukus, »aber er ist, wie wir, durch das Feuer früh gezeitigt worden – der Wein durch die Flammen des Vulkans – wir durch die seiner Frau, zu deren Ehren ich diesen Becher leere.«
»Er ist sehr fein,« sagte Pansa, »doch hat er vielleicht ein wenig zu viel Harzgeschmack.«
»Welch herrlicher Becher,« rief Klodius, indem er ein Trinkgefäß von durchsichtigem Krystall zeigte, dessen Handgriff mit Edelsteinen besetzt und schlangenförmig war, wie man es damals in Pompeji sehr häufig sah.
»Dieser Ring,« sagte Glaukus, indem er einen kostbaren Juwel von dem ersten Gelenke seines Fingers zog und an den Griff hing, »verleiht ihm ein reicheres Ansehen und macht ihn Deiner Annahme, mein Klodius, weniger unwerth. Mögen die Götter Dir Gesundheit verleihen und Dir gestatten, ihn oft bis zum Rande zu krönen!«
»Du bist allzu freigebig, Glaukus,« sagte der Spieler, den Becher seinem Sklaven einhändigend, »aber Deine Liebe verdoppelt den Werth.«
»Diesen Becher den Grazien!« rief Pansa, und leerte seinen Becher dreimal. Die Gäste kamen seinem Beispiele nach.
»Wir haben noch keinen Festkönig ernannt,« rief Sallust, indem er den Würfelbecher schüttelte.
»Nein,« sagte Glaukus, »keinen kalten und abgenutzten Direktor für uns, keinen Diktator des Bankets, keinen rex convivii . Haben die Römer nicht geschworen, nie einem König zu gehorchen? Sollten wir weniger frei sein, als Eure Vorfahren? Ha, Musikanten! die Hymne, die ich vorige Nacht gedichtet habe!«
Die Musiker stimmten nun, nachdem Glaukus das Lied, das er meinte, noch näher bezeichnet hatte, ihre Instrumente zu einer wilden jonischen Tonart, während die jüngsten Stimmen unter der Bande in griechischen Worten und griechischem Rhythmus folgendes Lied absangen:
Der Abendgesang der Horen.
1.
Durch des Sommertags glühende Pracht
Sind wir geschritten lang,
Nun, vor den schwarzen Pforten der Nacht
Grüßet uns mit Gesang!
Gesang, Gesang,
Mit hellem, frohen Gesang!
Wie durch das Zwielicht behext
Die cretische Braut durch die Epheuranken,
Nachdem sie zuvor mit dem Weingott gescherzt,
Hinausgoß ihre freien Gedanken.
Durch der Gewölbe graues Gefieder
Aeugelten heimlich die Sterne nieder,
Und ringsumher
Kosten im Meer
In Liebe rauschend die Wogen.
Es ruht ihr des Luchses Haupt im Schooß,
Als sie sich hin auf den Thymian goß;
Und heimlich sich freuend der seligen Nächte,
Lauschten die Faunen im grünen Geflechte
Des grünenden Laubwerks vom Weinstock umzogen,
Die Faunen, die spähenden Faunen,
Die schlauen, die lachenden Faunen,
Die Faunen lauschen verwegen.
2.
Wie hat des Tages Pein
Uns auf der Flucht ermattet!
Schwer wird die Reise sein,
Wenn uns die Nacht umschattet.
Badet, o badet die müden Schwingen
Tief in den Fluten, welche euch springen
Dort aus dem Borne des Lichts: – dort aus dem Borne des Lichts,
Der aus dem Kelche uns lacht,
Ruht erst die Sonne in Nacht,
Wo aus dem Becher der Tag uns erstehet,
Die Traube, sie ist die Quelle des Lichtes,
Der Spiegel des glühenden Sonnengesichtes,
In den es voll Lust wie der Thesbier schaut,
Bis seine Seele drinn untergehet.
3.
Ein Kelch sei dem Zeus gebracht, ein zweiter des Eros Macht,
Ein dritter dem Sohne der Maja;
Drei sollen versöhnen das Kleeblaat der Schönen
Den Chorus der holden Aglaja.
Doch weil euch die lachenden Kränze der Freuden,
Der Bund der lachenden Stunden noch flieht,
So lasset euch nicht durch Gesetze mehr leiten,
Und fraget nicht ängstlich nach Maaß und Gewicht.
Wer uns das Meiste bringt, ehrt uns am meisten,
Wer nicht berechnet mehr, was er zu leisten,
Kennt am Besten des Trinkers Pflicht.
Fasset die Schwingen, wir fliegen so schnell,
Tauchet uns tief in den sprudelnden Quell!
Fliehn wir dann triefend hinaus in den Raum,
Schütteln wir hin auf die Kränze den Schaum.
Wir glühen, wir glühen;
Und
Weitere Kostenlose Bücher