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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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geschwächten Körper durchschauerte – ihn – den wählerischen, üppigen, versteinerten Menschen – der bis daher keiner Strapaze getrotzt, keinen Kummer gekannt hatte! Das herrliche Vögelchen, das er war! Warum hatte es seinen fernen und sonnigen Himmel – die Olivenhaine seiner vaterländischen Berge – die Musik ihrer unsterblichen Ströme verlassen? Warum sein glänzendes Gefieder unter diesen harten und ungleichartigen Fremdlingen entfaltet, ihr Auge mit seinen prachtvollen Farben geblendet und ihr Ohr mit seinem fröhlichen Gesang entzückt, um also plötzlich gefangen, in Finsternis geworfen, ein Opfer und eine Beute zu werden – seinen heiteren Flug für immer enden, seine munteren Lieder für immer zum Schweigen bringen zu lassen? Der arme Athener! Seine Fehler sogar waren das Übermaß einer milden und heiteren Natur geworden, und wie wenig hatte ihn seine Vergangenheit für die Prüfungen, die er erstehen sollte, vorbereitet! Das Geschrei des Volks, unter dessen Jubelruf er so oft seinen anmuthigen Wagen und seine bäumende Rosse dahingeführt hatte, klang noch immer schmerzhaft in seinem Ohre nach. Die kalten und steinernen Gesichter seiner früheren Freunde, der Genossen seiner heiteren Gelage, tauchten noch immer vor seinem Auge auf. Niemand war jetzt da, den bewunderten, den geschmeichelten Fremden zu trösten, zu ermuthigen. Diese Mauern öffneten sich für ihn nur, um auf der gefürchteten Arena einen gewaltsamen und schmählichen Tode entgegenzugehen. Und Ione! Auch von ihr hatte er nichts gehört; kein ermuthigendes Wort, keine Botschaft des Mitleidens; und sie hatte ihn verlassen; sie hielt ihn für schuldig – und zwar welches Verbrechens? – der Ermordung ihres Bruders! Er knirschte mit den Zähnen – er stöhnte laut – und eine schreckliche Besorgnis durchzuckte ihn. Konnte er nicht in jenem vollendeten und wilden Wahnsinn, der sich seiner Seele in so unerklärlicher Weise bemächtigt, sein verwirrtes Gehirn zerstört hatte, konnte er da nicht das Verbrechen, dessen er angeklagt war, ohne sein Bewußtsein wirklich begangen haben? So schnell jedoch dieser Gedanke in ihm auftauchte, eben so schnell war er auch unterdrückt. Denn trotz des die Vergangenheit umhüllenden Nebels glaubte er sich deutlich an den dämmernden Hain der Cybele, an das aufwärts gerichtete Gesicht des blassen Todten, an sein Verweilen zur Seite des Leichnams und an den plötzlichen Stoß zu erinnern, der ihn zu Boden geworfen. Er war von seiner Unschuld überzeugt; aber wer mochte ihn selbst in der fernsten Zeit, wenn seine zerfleischten Überreste längst mit den Elementen vermischt waren, für schuldlos halten, oder seinen guten Namen vertheidigen? Wenn er sich an seine Unterredung mit Arbaces und an die Ursachen zur Rache, die in dem Herzen dieses dunklen und fürchterlichen Mannes aufgeweckt worden waren, erinnerte, so konnte er nicht umhin, zu glauben, daß er das Opfer einer tief angelegten und geheimnisvollen Hinterlist sei, deren Faden er jedoch durchaus nicht zu entdecken vermochte; und Ione – Arbaces liebte sie – sollte vielleicht sein Untergang dem Siege seines Nebenbuhlers zur Grundlage dienen? Dieser Gedanke war qualvoller für ihn, als alle übrigen und sein edles Herz wurde mehr von Eifersucht verwundet, als durch Furcht entmuthigt. Von Neuem stöhnte er laut.
    Eine Stimme aus dem Hintergrunde der Finsternis antwortete auf diesen Ausbruch des Schmerzes. »Wer,« begann sie, »ist mein Gefährte in dieser fürchterlichen Stunde? Athener Glaukus, bist Du es?«
    »So nannte man mich allerdings in den Tagen des Glücks, jetzt aber haben sie vielleicht andere Benennungen für mich, und Dein Name, Fremdling?«
    »Ist Olinth, Dein Genosse im Gefängnis wie vor Gericht.«
    »Was! der, den man den Atheisten nennt? Hat etwa die Ungerechtigkeit der Menschen Dich gelehrt, die Vorsehung der Götter zu läugnen?«
    »Ach!« antwortete Olinth, »Du – nicht ich – bist der eigentliche Gottesläugner; denn Du läugnest den einzig wahren Gott – den Unbekannten – dem Deine Väter zu Athen einen Altar errichteten. In dieser Stunde fühle ich meinen Gott. Er ist bei mir in Kerker; sein Lächeln durchdringt die Finsternis; am Vorabend des Todes flüstert mir mein Herz von Unsterblichkeit und die Erde tritt nur von mir zurück, um die milde Seele dem Himmel näher und näher zu bringen.«
    »Sag mir,« rief Glaukus plötzlich, »hörte ich im Verlaufe meines Prozesses nicht Deinen Namen in Verbindung mit

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