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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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vorsichtige Sosia, das Gesicht in den Mantel verhüllt und mit verstellter Stimme redend, um jeder späteren Bloßstellung vorzubeugen.
    »Bei den Göttern – ein Kuppler! Gefühlloser Wicht – siehst Du meinen Schmerz nicht? Geh! – und nimm den Fluch des Pandorus mit Dir!«
    Sosia verlor keinen Augenblick, sich zu entfernen.
    »Willst Du den Brief lesen, Sallust?« fragte der Freigelassene.
    »Brief! welchen Brief!« versetzte der Epikuräer schwankend, denn er begann, doppelt zu sehen. »Verflucht seien diese Dirnen, sage ich! Bin ich der Mann, um an Vergnügungen zu denken, wenn – wenn mein Freund nahe daran ist, aufgefressen zu werden?«
    »Iß noch ein Törtchen!«
    »Nein, nein, der Kummer erstickt mich.«
    »Bringt ihn zu Bette,« sagte der Freigelassene, und mit lieblich auf die Brust herabsinkenden Kopf wurde Sallust in sein Cubiculum getragen, während er noch immer Wehklagen über Glaukus und Flüche über die gefühllosen Einladungen der Buhlerinnen vor sich hin murmelte.
    Unterdessen eilte Sosia voll Entrüstung seiner Wohnung zu. »Ja, ja, ein Kuppler,« sagte er zu sich selbst, »ein Kuppler! Ein bösmauliger Bursche, dieser Sallust! Hätte er mich Schurke oder Dieb genannt, wollte ich's ihm verzeihen; aber Kuppler! Pfui, in dem Worte liegt Etwas, wogegen sich der zäheste Magen in der Welt empören würde. Ein Schurke ist ein Schurke zu seinem eigenen Vergnügen, und ein Dieb ein Dieb zu seinem eigenen Nutzen, und es liegt etwas Ehrenhaftes und Philosophisches darin, um seiner selbst willen ein Schurke zu sein; das heißt nach Grundsätzen, nach einem großen Maßstab handeln. Aber ein Kuppler ist ein Ding, das sich um eines Andern willen beschmutzt! ein Topf, der um eines Andern Suppe willen ans Feuer gesetzt wird! eine Serviette, woran jeder Gast seine Hände abwischt, und zu der selbst der Küchenjunge nur sagt: ›Mit Erlaubnis!‹ Ein Kuppler! Lieber wollte ich, er hätte mich Vatermörder genannt. Doch der Mann war betrunken, und wußte nicht, was er sagte, und überdies war ich vermummt. Hätte er gesehen, daß ihn Sosia anredete, so hätte es gewiß geheißen: ›ehrlicher Sosia‹ und ›würdiger Mann.‹ Indes wurde der Schmuck leicht verdient, das ist einiger Trost. O Göttin Feronia, bald werde ich frei sein, und dann möchte ich den sehen, der mich Kuppler nennt! – wofern er mich nicht recht hübsch dafür bezahlt.«
    Während Sosia in solch hochherziger und edelmüthiger Weise mit sich selbst redete, kam er durch ein enges Gäßchen, das nach dem Amphitheater und den in seiner Nähe liegenden Palästen führte. Um eine scharfe Ecke biegend, befand er sich plötzlich inmitten eines beträchtlichen Volkshaufens. Männer, Weiber und Kinder rannten, lachten, schwatzten, gestikulirten, und ehe er sich's versah, war der würdige Sosia von dem lärmenden Strome mit fortgerissen.
    »Was gibt's,« fragte er den ihm zunächst Stehenden, einen jungen Handwerker; »was gibt's? Wo drängen sich alle diese guten Leute hin? Theilt heute Nacht irgend ein reicher Mann Almosen oder Speisen aus?«
    »Nicht doch, lieber Freund, etwas Besseres,« versetzte der junge Handwerker. »Der edle Pansa, der Freund des Volkes, hat die Erlaubnis ertheilt, die wilden Thiere in ihren Behältern zu sehen. Beim Herkules! es gibt Leute, die sie morgen nicht mit so heiler Haut sehen werden!«
    »Das ist ein hübsches Schauspiel,« sagte der Sklave, indem er sich von der nachdrückenden Menge vorschieben ließ, »und da ich morgen nicht zu den Spielen gehen kann, so will ich wenigstens heute Abend einen Blick auf die Thiere werfen.«
    »Da wirst Du gut daran thun,« versetzte sein neuer Bekannter, »einen Löwen und einen Tiger sieht man nicht alle Tage.«
    Die Menge war jetzt auf einem ungleichen und weiten Platz angelangt, auf welchem, da er nur dürftig und aus der Ferne beleuchtet war, das Gedränge für diejenigen gefährlich wurde, deren Glieder und Schultern nicht zu einem solchen Gewühl paßten. Nichts destoweniger zeigten sich gerade die Frauen, – manche von ihnen mit Kinder auf den Armen, oder sogar an der Brust, – am entschlossensten, sich ihren Weg zu bahnen, und der gellende Ruf ihrer Schimpfworte übertönte die heiteren, männlichen Stimmen. Doch ließ sich unter ihnen auch ein junges Mädchen hören, das in ihrer Aufregung zu glücklich zu sein schien, um das Unbehagliche des Gedränges zu fühlen.
    »Ach,« rief sie einigen ihrer Begleiterinnen zu, »ich hab's ja stets gesagt und behauptet, wir

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