Die letzten Tage von Pompeji
milderer Gegner als sie.«
»Aber ein eben so gefährlicher,« versetzte der Gladiator mit trotzigem Lachen, und die Umstehenden, die seine gewaltigen Glieder und das wilde Gesicht bewunderten, stimmten grinsend mit ein.
»Schon recht,« antwortete Lydon sorglos, drängte sich durch die Menge und verließ den Behälter.
»Ich kann wohl auch aus seinen Schultern Nutzen ziehen,« dachte der kluge Sosia, und beeilte sich, ihm nachzufolgen. »Das Volk macht immer einem Gladiator Platz; ich will mich deshalb dicht hinter ihn halten, und mir einen Theil seiner Wichtigkeit aneignen.«
Rasch schritt der Sohn Medon's durch die Menge, unter der ihn Manche erkannten.
»Das ist der junge Lydon, ein wackerer Bursche; er ficht morgen,« rief einer.
»Ah, ich habe auf ihn gewettet,« sprach ein Anderer, »sieh, wie fest er einhergeht!«
»Viel Glück, Lydon!« ließ sich ein Dritter hören.
»Du hast meine besten Wünsche, Lydon,« flüsterte eine hübsche Frau aus dem Mittelstande, »und wenn Du siegst, nun, so wirst Du mehr von mir hören.«
»Ein schöner Mann, bei der Venus!« rief ein junges Mädchen, das kaum die Kinderschuhe ausgetreten hatte.
»Dank Dir,« entgegnete Sosia, der das Compliment ganz ernsthaft auf sich bezog.
So stark übrigens auch die reineren Beweggründe Lydons waren, und so gewiß ihn nur die Hoffnung, seinem Vater die Freiheit zu verschaffen, diesem blutigen Berufe zugeführt hatte, so blieb er dennoch nicht unempfindlich gegen die Aufmerksamkeit, die er erregte. Er vergaß, daß die Stimmen, die sich jetzt zu seinem Preise erhoben, vielleicht morgen über seine Todesqualen jubelten. Von Natur ebenso wild und rücksichtslos, als edelmüthig und gefühlvoll, hatte er doch bereits den Stolz auf ein Gewerbe eingesogen, das er zu verachten glaubte, und sich dem Einfluß einer Genossenschaft, die er in Wahrheit verabscheute, hingegeben. Er sah sich jetzt als einen Mann von Gewicht anerkennen; sein Schritt ward leichter, seine Haltung stolzer.
»Niger,« sagte er, sich plötzlich umwendend, als er sich aus der Menge herausgedrängt hatte, »wir haben uns oft gezankt; wir sind kein Paar füreinander; aber Einer von uns wird wahrscheinlicher Weise fallen – gib mir Deine Hand.«
»Von ganzem Herzen,« antwortet Sosia, die seinige ausstreckend.
»Ha, welch ein Narr ist das? Ich glaubte, Niger folge mir auf den Fersen nach.«
»Ich verzeihe den Irrthum,« versetzte Sosia herablassend, »sprechen wir nicht mehr davon; das Mißverständnis war so leicht – ich und Niger sind so ziemlich gleich gebaut.«
»Ha, ha, das ist herrlich! Niger würde Dir die Kehle aufschlitzen, wenn er das hörte!«
»Ihr Herren von der Arena habt eine überaus unangenehme Art zu reden,« sprach Sosia; »laß uns zu etwas Anderem übergehen.«
»Bah, bah!« versetzte Lydon ungeduldig; »ich bin nicht gelaunt, mich mit Dir zu unterhalten.«
»Nun ja,« erwiderte der Sklave, »Du hast allerdings an ernste Gegenstände zu denken; morgen versuchst Du Dich, glaube ich, zum erstenmale auf der Arena. Nun, ich bin überzeugt, Du wirst muthig sterben.«
»Mögen Deine Worte auf Dein eigenes Haupt fallen,« sprach Lydon abergläubisch; denn der Gegenwunsch Sosia's gefiel ihm durchaus nicht. » Sterben! Nein – ich hoffe, meine Stunde ist noch nicht gekommen!«
»Wer mit dem Tode Würfel spielt, muß sich stets auf den Hundewurf gefaßt machen,« versetzte Sosia boshaft; »aber Du bist ein starker Bursche, und so wünsche ich Dir alles mögliche Glück. Vale! «
Mit diesen Worten wandte sich der Sklave um und schlug den Weg nach Hause ein.
»Hoffentlich sind die Worte des Schurken von keiner schlimmen Vorbedeutung,« sagte Lydon nachdenklich. »Im Eifer für die Freiheit meines Vaters, und im Vertrauen auf meine Kraft habe ich die Möglichkeit des Todes nicht bedacht. Mein armer Vater – ich bin Dein einziger Sohn! – Sollte ich fallen – –«
Sobald ihn dieser Gedanke durchzuckte, eilte der Gladiator mit rascherem, unruhigerem Schritte vorwärts, als er plötzlich in einer gegenüberliegenden Straße den Gegenstand seiner Gedanken erblickte. Auf seinen Stab gelehnt, die Gestalt von Sorgen und Alter gebeugt, die Augen niedergeschlagen, und die Schritte zitternd, näherte sich der ergraute Medon langsam dem Gladiator. Lydon blieb einen Augenblick stehen; er errieth sofort, weshalb der alte Mann noch zu so später Stunde ausgegangen war.
»Gewiß sucht er mich,« dachte er, »von Schrecken betroffen über die
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