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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Verurtheilung des Olinth hält er die Arena für verbrecherischer und gehässiger als je, und kommt nun, mir von Neuem den Kampf zu widerrathen. Ich muß ihm ausweichen – seine Bitten, seine Thränen kann ich nicht ertragen!«
    Diese Gedanken, die sich nur mit langen Worten nacherzählen lassen, durchzuckten den jungen Mann mit Blitzesschnelle. Er wandte sich rasch um und entfloh schnell in entgegengesetzter Richtung. Er hielt nicht an, bis er, fast erschöpft und außer Athem, sich auf dem Gipfel einer kleinen Anhöhe befand, von dem man den heitersten und glänzendsten Theil dieser Miniaturstadt übersah; und als er von da aus auf die ruhigen Straßen hinabschaute, die in den Strahlen des Mondes glänzten, der eben aufgegangen war, und stellenweise ein malerisches Licht auf die in der Ferne um das Amphitheater wogende und summende Menge warf, da machte diese Scene, so roh und phantasielos er auch von Natur war, einen gewaltigen Eindruck auf ihn. Er setzte sich auf die Stufen eines verlassenen Säulengangs, und fühlte, wie die Ruhe der Stunde ihn besänftigte und stärkte. Ihm gegenüber und dicht in der Nähe funkelten die Lichter eines Palastes, dessen Besitzer jetzt ein Fest gab. Die Thüren stunden der Kühlung wegen offen, und der Gladiator sah die zahlreiche, festlich gekleidete Gruppe um die Tische im Atrium [Fußnote: Größere Gesellschaften wurden, wie ich schon an anderem Orte bemerkte, gewöhnlich im Atrium bewirthet. ] her versammelt; während hinter ihnen, die lange Perspektive der erleuchteten Zimmer schließend, der Schaum des fernen Springbrunnens im Mondschein funkelte. Hier waren Blumenkränze um die Säulen der Halle gewunden – dort glänzten still die zahllosen Marmorstatuen – und inmitten des fröhlichen Gelächters erhob sich, von Musik begleitet, folgendes Lied:
Hinweg mit eurer Hadesgeschichte,
Die Priester erschrecken uns nicht mehr;
Man lacht über eure drei Parzengedichte,
Eu'r Acheron hat kein Gewicht mehr.
     
Zeus wäre zu traurigen Loosen geboren,
Nie blühte dem Armen ein Glück auf –
verstopfte er seiner Geliebten die Ohren
Und schlösse den Menschen den Blick auf.
     
Du lehrst, Epikur, uns verlachen die Fabel,
Die nur ein umnachteter Wahn fand;
Und du zerschnittest die furchtbare Kabel,
Die uns an den stygischen Kahn band.
     
Hat's je einen Zeus, eine Juno gegeben,
Zerbrachen mit uns sie den Kopf nicht.
Drum lasset die Götter, – die Götter sie leben
Gewiß wie ein sterblichher Tropf nicht!
     
Was, glaubt ihr, sie gehen als Späher und Rächer
Dem Sündergeschlecht auf dem Fuß nach;
Sie zählen beim Schmause uns jeglichen Becher,
Beim Liebchen und jeglichen Kuß noch?
     
Drum nehmet den Kranz, den die Freude gewoben,
Entbehret des rosigen Munds nicht;
Und lasset sie schlafen, die Götter da droben,
Die Götter, sie sind ja für uns nicht!
     
    Während Lydons Frömmigkeit, die bei aller Duldsamkeit durch diese Verse, in welchen sich die Modephilosophie jener Zeit aussprach, in nicht geringem Grade verletzt wurde, von dem erhaltenen Stoße sich langsam wieder erholte, ging eine kleine Gesellschaft von Männern aus dem Mittelstand in einfachen Kleidern an seinem Ruhepatze vorüber. Sie waren in ernsthaftem Gespräche begriffen, und schienen den Gladiator nicht zu beachten.
    »O Schrecken aller Schrecken,« rief einer, »Olinth is tuns entrissen! unser rechter Arm abgehauen! Wann wird Christus herabsteigen, die Seinigen zu schützen?«
    »Kann menschliche Rohheit weiter gehen?« sagte ein Anderer, »einen Unschuldigen zu derselben Strafe zu verdammen, wie einen Mörder! Aber laßt uns nicht verzagen; noch kann der Donner Sinai's ertönen, und der Herr seinen Heiligen bewahren. ›Ein Narr spricht in seinem Herzen; Es ist kein Gott‹«
    Und in diesem Augenblicke ertönte von Neuem aus dem erleuchteten Palaste der Schlußvers des Liedes:
Und lasset sie schlafen, die Götter da droben,
Die Götter, sie sind ja für uns nicht. [Fußnote: Die Lehren des Epikur selbst sind rein und einfach. Vellejus, der Vertheidiger und Erklärer der epikuräischen Philosophie in Cicero's Dialog von der Natur der Götter versichert, Epikur sei, weit entfernt, das Dasein göttlicher Mächte zu läugnen, der erste gewesen, der aus dem Eindruck, den die Natur auf das Gemüth aller Menschen mache, die Existenz der Götter zu beweisen gesucht habe. Er hielt den Glauben an die Gottheit für eine angeborene Idee (πρόληψις) der Seele – eine Lehre, welche sich die neueren Metaphysiker,

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