Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
alten Mann mit grauen Haaren, der auf dem Boden saß und das Haupt eines unlängst Verschiedenen in seinem Schoße hielt. Die Gesichtszüge des Todten hatten in dem letzten Schlafe einen festen und kalten Ausdruck angenommen; aber auf den Lippen spielte ein stolzes Lächeln, nicht das Hoffnungslächeln des Christen, sondern das finstere Hohnlachen des Hasses und Trotzes! Übrigens hatte sein Gesicht noch die herrliche Fülle der Jugend; lockig wallte das Haar über die faltenlose Stirne, und der noch schwache Bart beschattete leicht den Marmor seiner zwar farblosen, aber männlich schönen Wangen. Über dieses Antlitz beugte sich eines mit so unaussprechlicher Trauer, so wehmuthsvoller Zärtlichkeit und so tiefer Verzweiflung! Der alte Mann weinte schwere und heiße Thränen; aber er fühlte sie nicht, und als seine Lippen sich bewegten, als er mechanisch das Gebet seines segens- und hoffnungsreichen Glaubens hersagte, da wußte weder sein Herz noch sein Gemüth etwas von den Worten desselben: es war gleichsam nur der willkürliche Ausbruch der Lethargie seines Geistes. Sein Sohn war todt, für ihn, den Vater, gestorben! und das Herz des Greises war gebrochen!
    »Medon!« sagte Olinth mitleidig, »steh auf und fliehe. Gott fährt einher auf den Flügeln der Elemente! das neue Gomorrha wird zerstört! Fliehe, ehe das Feuer Dich vernichtet!«
    »Er war immer so lebenskräftig! Er kann nicht todt sein! Komm hieher! Lege Deine Hand auf sein Herz. Gewiß, es schlägt noch!«
    »Bruder, seine Seele ist entflohen! Wir wollen ihrer in unsern Gebeten gedenken. Du kannst den stummen Leichnam nicht wider beleben. Komm, komm! Horch, während ich spreche, stürzen dort die Mauern zusammen! Hörst Du das Todtengeschrei? Nicht ein Augenblick ist zu verlieren! Komm!«
    »Ich höre nichts,« sagte Medon, seinen grauen Kopf schüttelnd. »Mein armes Kind, seine Liebe tödtete es!«
    »Komm, komm! Vergib mir meine freundliche Nöthigung.«
    »Was! wer will den Vater von dem Sohne trennen?« damit schloß Medon den Leichnam fest in seine Arme und bedeckte ihn mit glühenden Küssen. »Geh!« sagte er, einen Augenblick noch zu Olinth emporblickend. »Geh – wir müssen allein beisammen sein!«
    »Ach!« versetzte der mitleidige Nazarener; »der Tod hat Euch bereits getrennt!«
    Der alte Mann lächelte ganz ruhig. »Nein! nein! nein!« sprach er mit immer matterer Stimme, »der Tod ist gütiger gewesen!«
    Jetzt sank sein Haupt auf die Brust seines Sohnes; seine Arme fielen erschlafft zu Boden. Olinth ergriff ihn bei der Hand, aber der Puls schlug nicht mehr. Der zärtliche Vater hatte die Wahrheit gesprochen: Der Tod war gütiger gewesen.
    Mittlerweile flohen Glaukus und Nydia rasch durch die gefährlichen Straßen. Der Athener hatte von seiner Retterin gehört, daß Ione noch im Hause des Arbaces sich befinde. Dorthin eilte er, um sie zu befreien, sie zu retten. Die wenigen Sklaven, welche der Egypter daheim ließ, als er mit großem Gefolge nach dem Theater zog, hatten der bewaffneten Macht des Sallust keinen Widerstand zu leisten vermocht, und als nachher der Ausbruch des Vulkans erfolgte, hatten sie sich erstaunt und erschrocken in die innersten Gemächer des Hauses geflüchtet. Selbst der schlanke Äthiopier hatte seinen Posten an der Thüre aufgegeben, und Glaukus (der Nydia draußen ließ – die arme Nydia, welche sogar in dieser Stunde einer eifersüchtigen Regung sich nicht erwehren konnte), ging ungehindert durch die große Halle, ohne Jemanden zu treffen, von dem er das Zimmer der Ione hätte erfahren können. Auch nahm die Finsternis, welche den Himmel bedeckte, auf einmal so zu, daß er nur mit Mühe vorwärts schreiten konnte. Die blumenbekränzten Säulen schienen zu wanken und zu zittern, und mit jedem Augenblicke hörte er die Asche prasselnd in das unbedeckte Peristyl fallen. Athemlos ging er, laut den Namen Ione rufend, weiter; endlich hörte er am Schlusse der Galerie eine Stimme, und zwar ihre Stimme, ihm antworten. Vorwärts stürzen, die Thüre erbrechen, Ione in seine Arme schließen und mit ihr aus dem Hause eilen, war das Werk eines Augenblicks.
    Kaum hatte Glaukus die Stelle erreicht, wo Nydia stand, als er Schritte in der Richtung gegen das Haus zu hörte und die Stimme des Arbaces erkannte, der zurückkehrte, um seine Schätze und Ione aufzusuchen, ehe er das untergehende Pompeji verlassen wollte. Aber so dicht war bereits die rauchende Atmosphäre, daß die Feinde selbst in der äußersten Nähe einander

Weitere Kostenlose Bücher