Die letzten Tage von Pompeji
nicht sahen, außer das Glaukus wie im Dämmerlicht in der Finsternis die Umrissen der weißen Kleider des Egypters wahrnahm.
Alle drei, der Athener, Nydia und Ione, eilten weiter, aber ach! wohin? Sie sahen jetzt auf keinen Schritt mehr vor sich: so groß war das Dunkel. Zweifel und Schrecken umgaben sie von allen Seiten, und der Tod, dem er entronnen, schien dem Glaukus nur die Gestalt gewechselt und seine Opfer vermehrt zu haben.
Sechstes Kapitel.
Kalmus und Burbo – Diomed und Klodius – Das Mädchen des Amphitheaters und Julia
Die plötzliche Katastrophe, welche natürlich die Bande der Gesellschaft gelöst und jeden Unterschied zwischen den Gefangenen und den Gefängniswärtern aufgehoben hatte, befreite auch den Kalenus bald von den Wachen, deren Aufsicht er von dem Prätor übergeben worden war. Als nun die Finsternis und das Gedränge den Priester von seinen Wächtern trennte, eilte er wankenden Schrittes nach dem Tempel seiner Göttin. Während er sich so dahinschleppte und ehe die Finsternis vollständig war, wurde er plötzlich an dem Kleide gefaßt und eine Stimme flüsterte ihm ins Ohr:
»St! Kalenus – eine schreckliche Stunde!«
»Ja, bei meines Vaters Haupt! Wer bist Du? Dein Gesicht ist dunkel und Deine Stimme mir fremd.«
»Kennst Du Deinen Burbo nicht? – Pfui!«
»Götter! wie die Finsternis zunimmt. Sieh! sieh! Welch strahlende Blitze erleuchten plötzlich jenen furchtbaren Berg! [Fußnote: Vulkanische Blitze. Diese Erscheinung fand besonders bei einem Ausbruche im Jahre 1779 statt; daß sie aber auch bei dem Untergange Pompeji's vorkam, läßt sich aus mehren Umständen vermuthen. ] Wie sie zucken und sprühen! Der Hades ist gegen die Erde losgegangen.«
»Schweige! Du glaubst doch solche Dinge nicht, Kalenus! Jetzt haben wir Gelegenheit, unser Glück zu machen!«
»Wie?«
»Höre! Dein Tempel ist voll von Gold und sonstigen Kostbarkeiten. Laß uns dieselben zusammenraffen und damit nach dem Meere eilen. – Nie wird man von dem, was heute geschieht, Rechenschaft verlangen.«
»Burbo, Du hast Recht! Nur stille! Folge mir in den Tempel. Wer kümmert sich jetzt darum, wer sieht es jetzt, ob Du Priester bist oder nicht? Folge mir! Dann wollen wir theilen!«
Im Vorhofe des Tempels hatten sich mehre Priester betend, weinend und händeringend um die Altäre geschaart. Betrüger, wenn es ihnen wohl ging, waren sie in Gefahren abergläubisch. Kalenus schlich an ihnen vorbei und trat in das Gemach, welches man noch an der Südseite des Vorhofes erblickt. Burbo folgte ihm; der Priester zündete das Licht an. Auf dem Tische befanden sich Wein und Fleisch, die Überbleibsel eines Opfermahles.
»Ein Mann, der achtundvierzig Stunden hungerte, hat auch in solcher Zeit Appetit,« murmelte Kalenus. Er machte sich über die Speise her und verzehrte sie mit Heißgier.
Nichts konnte vielleicht unnatürlicher und abscheulicher erscheinen, als die selbstsüchtige Niederträchtigkeit dieser Schurken. Denn nichts ist widerwärtiger, als der Muth des Habgierigen. Wie sehr können die Schrecken der Natur noch durch die Laster der Menschen gesteigert werden!
»Willst Du ewig fortmachen?« sagte Burbo ungeduldig; »Dein Gesicht ist von einer purpurnen Röthe überflogen und Deine Augen funkeln bereits.«
»Nicht jeden Tag hat man ein solches Recht zum Hunger. O Jupiter! was für ein Geräusch ist das? ähnlich dem Zischen des siedenden Wassers. Wie! kommt aus der Wolke zugleich Regen und Feuer! Ha! was für ein Geschrei? Und Burbo, wie still ist Alles jetzt! Sieh doch nach!«
Eine neue Schreckensscene. Wirklich warf jetzt der Berg auch ganze Säulen kochenden Wassers aus. Mit halbverbrannter Asche vermischt fielen die Wasserströme auf die Straßen. Und gerade dahin, wo die Priester der Isis jetzt die Altäre umringten, auf welchen sie vergeblich Feuer anzuzünden und Weihrauch zu verbrennen sich bemühten, fiel einer jener tödtlichen, mit schweren Steinen vermischten Regengüsse, und zwar auf die knieenden Priester. Jenes Geschrei, das Kalenus vernahm, war ein Geschrei des Todes; jenes Schweigen ein Schweigen der Ewigkeit. Die Asche, der pechige Strom, bespritzten die Altäre, bedeckte den Fußboden und begrub zur Hälfte die zuckenden Leiber der Priester.
»Sie sind todt,« sagte Burbo, jetzt erst von Schrecken erfaßt und in die Zelle zurückeilend; »ich hielt die Gefahr nicht für so nah und verderblich.«
Die beiden Unglücklichen starrten einander an; ihr Herz klopfte laut. Kalenus, der von
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