Die letzten Tage von Pompeji
Andere Würfel spielten, und Andere einem mehr Nachdenken erfordernden Spiele oblagen, das man duodecim scripta nannte und das Manche irrthümlich für das Schachspiel hielten, obgleich es mehr Ähnlichkeit mit dem Brettspiele hatte, und gemeiniglich, wenn auch nicht immer, mit Würfeln gespielt wurde.
Es war noch früher Morgen, und vielleicht konnte nichts so gut, als gerade diese unzeitige Stunde, den eingefleischten Müßiggang der Gäste dieser Kneipe beweisen. Dennoch bot dies Haus, trotz seiner Lage und dem Charakter seiner Bewohner, nicht jene garstige Unreinlichkeit dar, die ein derartiges Etablissement in unsern modernen Städten charakterisiren würde. Die natürliche Lebenslust der Pompejaner, die selbst da, wo sie den Geist vernachlässigten, den Sinnen zu schmeicheln suchten, zeigte sich in den blühenden Farben, welche die Wände zierten, und in den phantastischen, aber nicht ungefälligen Formen der Trinkbecher und sogar der gewöhnlichsten Hausgeräthe.
»Beim Pollux!« sagte einer der Gladiatoren, indem er sich gegen einen Thürpfosten lehnte, »der Wein, den Du uns verkaufst alter Silen, wäre im Stande, das beste Blut, das in unsern Adern rinnt, zu verdünnen.«
Mit diesen Worten schlug er einen Mann, der neben ihm stand, auf die Schulter. Der auf diese Weise Begrüßte, dessen entblößte Arme, weiße Schürze und nachlässig in den Gürtel gesteckte Schlüssel und Serviette den Wirth der Schenke anzeigten, war bereits in den Herbst seiner Jahre eingetreten; aber seine Glieder waren noch so kräftig und athletisch, daß er sogar die nervigten Gestalten an seiner Seite hätte beschämen können, außer daß seine Muskeln ins Fleisch übergegangen, seine Wangen geschwollen und aufgedunsen waren, und der dicke Bauch die große und massive Brust beinahe ganz in Schatten stellte.
»Mache keinen Deiner Scherze mit mir,« sage der riesenmäßige Wirth mit dem dumpfen Brüllen eines gereizten Tigers; »mein Wein ist gut genug für ein Skelet, das bald den Stand des Spoliariums einsaugen wird.« [Fußnote: Der Ort, wohin die Todten oder tödtlich Verwundeten von der Arena geschafft wurden. ]
»Krächzest Du so, alter Rabe,« versetzte der Gladiator mit verächtlichem Lächeln, »Du wirst Dich noch aus Ärger hängen, wenn Du mich die Palmenkrone gewinnen siehst, und wenn ich im Amphitheater die Börse bekomme, was unfehlbar geschehen wird, so soll mein erstes Gelübde dem Herkules sein, daß ich Dich und Dein niederträchtiges Gesindel auf immer verschwöre.«
»Hört ihn doch! hört ihn, diesen bescheidenen Pyrgopolinices! Er hat sicherlich unter Bombochides Cluninstaridysarchides [Fußnote: Miles gloriosus , Akt. 1. Dies ist so viel, als wenn wir heutzutage sagen: er hat unter Bombastes Furioso gedient. ] gedient,« rief der Wirth. »Sporus, Niger, Tetraides, er behauptet, er schnappe Euch den Preis weg. Jede Eurer Muskeln ist , bei den Göttern! stark genug, den ganzen Kerl zu erdrücken, oder ich müßte nichts von der Arena verstehen.«
»Ha!« schrie vor Zorn erröthend der Gladiator, »unser Lanista könnte Euch eine ganz andere Geschichte erzählen.«
»Welche Geschichte könnte er gegen mich erzählen, prahlerischer Lydon?« sagte Tetraides, die Stirne runzelnd.
»Oder gegen mich?« brüllte Sporus mit funkelnden Augen.
»Ruhig!« rief Lydon, indem er seine Arme kreuzweise über einander legte und seine Nebenbuhler mit herausfordernder Miene ansah; »die Zeit der Prüfung wird bald da sein. Sparet bis dahin Eure Wuth.«
»Dies rathe ich Dir ,« sagte der Wirth mürrisch, »und wenn ich den Daumen einschlage, um Dein Leben zu retten, so sollen die Parzen meinen Lebensfaden abschneiden.«
»Deinen Strick willst Du sagen,« entgegnete Lydon foppend; »hier ist ein Sesterz, um einen zu kaufen.«
Der titanenhafte Weinschenk ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie so kräftig, daß das Blut zu den Fingerspitzen heraus den Umstehenden auf die Kleider spritzte. Alle schlugen ein wildes Gelächter auf.
»Ich will Dich lehren, Du junger Großsprecher, den Macedonier mit mir zu spielen. Ich bin kein schwacher Perser, das versichere ich Dich. Habe ich nicht zwanzig Jahre lang in dem Cirkus gekämpft, ohne jemals die Arme sinken zu lassen? Und empfing ich nicht aus des Editors eigener Hand den Stab als ein Siegeszeichen und als Genehmigung, auf meinen Lorbeeren auszuruhen? Und jetzt soll ich mich von einem Lehrjungen meistern lassen?«
Mit diesen Worten stieß er die Hand verächtlich
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