Die letzten Tage von Pompeji
schien in eine unbeschreibliche, ambrosische Essenz vereinigt. Von den schlanken Säulen, die sich zu der hohen Decke erhoben, hingen weiße, mit goldenen Sternen besäeten Draperien herab. An den beiden Enden des Saales warfen zwei Springbrunnen einen Schaum empor, der im Wiederstrahl des rosigen Lichtes wie zahllose Diamanten schimmerte. In der Mitte des Zimmers erhob sich bei ihrem Eintritte langsam aus dem Boden heraus und bei den Tönen einer unsichtbaren Musik eine mit den feinsten Speisen besetzte Tafel, während in Vasen jener verloren gegangenen myrrhimischen Composition, [Fußnote: Die übrigens vermuthlich das chinesische Porzellan war – obgleich sich allerdings auch hiegegen einige Einwendungen machen lassen. ] deren Farbe so glühend, deren Stoff so durchsichtig war, die ausländischen Gewächse des Ostens prangten. Die um diesen Tisch aufgestellten Polster waren mit azurblauen und goldenen Teppichen bedeckt, und aus unsichtbaren, im gewölbten Plafond angebrachten Röhren ergoß sich ein wohlriechender Regen herab, der die köstliche Luft abkühlte und mit dem Parfüm der Lampen wetteiferte, als ob die Geister des Wassers und Feuers sich darum stritten, welches der beiden Elemente die lieblichsten Wohlgerüche erschaffen könne. Nun traten hinter den schneeweißen Draperien Gestalten hervor, wie sie Adonis schaute, als er auf dem Schooße der Venus ruhte. Sie umringten, die Einen mit Blumenkränzen, die Andern mit Leiern in der Hand, den Jüngling, geleiteten ihn zum Tische und schlangen eine rosige Kette um ihn. Die Erde – der Gedanke an die Erde verschwand aus seiner Seele; er glaubte sich träumend und hielt den Athem an sich, um nicht zu früh zu erwachen. Die Sinne, deren Regung er bis jetzt immer unterdrückt hatte, pochten in seinem brennenden Puls, und verwirrten seinen schwindelnden, taumelnden Blick. Während er so erstaunt und verblendet dastand, ertönte von Neuem, aber in lebhaftem, bacchischen Tonmaße der magische Gesang:
In den Adern des Kelches schäumet und glüht
Wie Blut der perlende Wein,
Doch in den Becher der Jugend glüht
Ein göttlicher Feuer hinein,
So hell, so hell,
Wie Lichtes Quell,
So blitzt er heraus aus der Augen Schein. Gieß ein, gieß ein, bis zum funkelnden Rand,
Den göttlichen Saft, der uns fließt,
Die Traub' ist der Schlüssel in Bacchus Hand,
Womit er den Kerker erschließt.
Trink' immer zu,
Was fürchtest du,
Wo nur die Lampe dich grüßt?
Trink, trink, ich trinken den süßeren Wein
Aus deinen Augen dafür;
Dein Lächeln möge dem Bacchus sein,
Dein Seufzer, Geliebter, sei mir;
Komm zu mir her,
Ich glühe sehr,
Ich glühe nach Blicken von dir!
Nach Beendigung dieses Gesangs näherte sich ihm, umwunden mit einer Kutte von Sternblumen, eine Gruppe von drei Mädchen, die die Grazien, die sie darstellten, leicht hätten verdunkeln können, im gleitenden Takte des jonischen Tanzes, wie ihn die Nereiden im Mondlichte im gelben Sande des ägäischen Meeres aufführten; wie Cytherea ihn ihre Dienerinnen bei der Vermählung Psyche's mit ihrem Sohne lehrte.
Herantretend wandten sieh ihm ihren Kranz um das Haupt; knieend reichte ihm die jüngste von den Dreien den Becher, in welchem Wein aus Lesbos schäumte und perlte. Der Jüngling widerstand nicht länger; er ergriff den berauschenden Becher, das Blut rollte ungestüm durch seine Adern. Er sank an den Busen der neben ihm sitzenden Nymphe, und als er sich mit schwimmenden Augen nach Arbaces umsah, den er im Strudel seiner Gefühle aus dem Gesichte verloren hatte, gewahrte er, daß sein Lehrer unter einem Thronhimmel saß und ihn mit einem Lächeln anblickte, das zum Genuß aufmunterte. Er sah ihn nicht, wie bisher, im dunklem, schwarzem Gewande, mit sinnender, ernster Stirne; – ein schneeweißes, im Glanze des Goldes und kostbarer Edelsteine strahlendes Gewand umgab seine majestätische Gestalt; weiße, mit Smaragden und Rubinen abwechselnde Rosen bildeten eine Tiare, die seine Rabenlocken krönte. Er schien, wie Ulysses, die Glorie einer zweiten Jugend gewonnen – seine Züge schienen das Nachdenken mit der Schönheit vertauscht zu haben, und unter den lieblichen Gestalten, die ihn umgaben, ragte er hervor in dem ganzen, strahlenden und entfesselnden Wohlwollen eines olympischen Gottes.
»Trinke, genieße das Fest, mein Zögling,« sagte er, – »erröhte nicht über Deine Jugend und Leidenschaftlichkeit. Was Du bist, fühlt Du in Deinen Adern; was Du werden wirst, siehst Du hier.«
Bei diesen
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