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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Stolz. Wenn sie einen Augenblick dem Glaukus mit halblauter Stimme Vorwürfe machte, ihm entsagte, ihn beinahe haßte, so brach sie im nächsten Augenblicke in leidenschaftliche Thränen der Liebe aus, ihr Herz gab seiner angeborenen Milde nach, und in der Bitterkeit ihrer Qual sagte sie: »er verachtet mich, er liebt mich nicht.«
    Sobald sie der Egypter verlassen, hatte sie sich in das entlegenste Zimmer ihres Hauses zurückgezogen, ihre Dienerinnen entfernt und vor der Schaar, die ihre Thüre umlagerte, sich verläugnet. Glaukus wurde mit den Andern ausgeschlossen; er wunderte sich darüber, errieth aber den Grund nicht. Seiner Ione, seiner Königin, seiner Göttin, traute er nie jene weibliche Launenhaftigkeit zu, über die sich die Liebesdichter Italiens so unablässig beklagen. Er glaubte, sie sei bei der Majestät ihrer Aufrichtigkeit über alle jene Kunstgriffe erhaben, die einen Liebenden martern, und obgleich er sich beunruhigt fühlte, waren doch seine Hoffnungen nicht verdüstert, denn er wußte ja bereits, daß er liebte und geliebt wurde, – welch kräftigeres Amulet konnte er wünschen, um sich der Furcht zu erwehren.
    In tiefster Nacht, wenn Stille in den Straßen herrschte, und nur der Mond ein Zeuge seiner Huldigung war, stahl er sich zu dem Tempel seines Herzens, – zu ihrer Wohnung hin; denn ach den Worten der Athener ist die Wohnung der Geliebten ein wahrer Kupidotempel [Fußnote: Athenäus – »der wahre Tempel des Kupido, ist das Haus der Geliebten.« ] und er freite um sie nach der schönen Sitte seines Landes. Er überdeckte ihre Thürschwelle mit den reichsten Blumenkränzen, in denen jede Blume ein Ausdruck süßer Liebe war, und erfüllte die lange Sommernacht mit den Thönen der lycischen Laute und mit Versen, wie sie die Begeisterung des Augenblicks erschuf.
    Aber das Fenster oben öffnete sich nicht, kein Lächeln machte den Schein der Nacht heiliger. Alles blieb still und dunkel; er wußte nicht, ob seine Verse gut aufgenommen waren, seine Bitten Gehör fanden.
    Doch Ione schlief nicht und verschmähte nicht, ihn zu hören; sie trösteten – sie überwältigten sie. Während sie denselben zulauschte, glaubte sie Nichts gegen ihren Geliebten; aber wenn sie endlich verstummten und seine Tritte verhallten, da verschwand auch der Zauber, und in der Bitterkeit ihres Herzens fand sie in dieser zarten Huldigung beinahe eine neue Beleidigung.
    Ich sagte, sie habe sich vor jedermann verläugnet, indessen fand sie doch eine Ausnahme Statt; es gab eine einzige Person, die sich nicht zurückweisen ließ und die sich über ihre Handlungen und das Haus eine Art väterliche Autorität anmaßte. Arbaces forderte für sich eine Ausnahme von allen Andern gegenüber beobachteten Förmlichkeiten. Über ihre Thürschwelle trat er mit der Zuversicht eines Mannes, der fühlt, daß er in seinem Rechte, daß er zu Hause ist. Er drang in ihre Einsamkeit mit jener ruhigen und keiner Entschuldigung bedürfenden Miene, als ob das so ganz in der Ordnung wäre. Bei aller Unabhängigkeit im Charakter Ione's war es ihm durch seine Gewandtheit gelungen, eine geheime und mächtige Herrschaft über ihr Gemüth zu erlangen. Sie konnte sich nicht davon losmachen; bisweilen wünschte sie es zwar, aber nie versuchte sie einen ernstlichen Kampf dagegen. Sie war durch seinen Schlangenblick verzaubert; er gebot über ihr Thun und Lassen durch den Zauber seines Geistes, der längst daran gewöhnt war, Eifersucht einzuflößen, und zu unterjochen. Da Ione auch nicht die leiseste Ahnung von seinem wahren Charakter oder von seiner geheimen Liebe hatte, so fühlte sie für ihn die hohe Achtung, die das Genie für die Weisheit und die Tugend für die Heiligkeit hegt. Sie betrachtete ihn wie einen jener mächtigen Weisen des Alterthums, die durch ihre Eremtion von den Leidenschaften der übrigen Menschen in die Geheimnisse des Wissens eingedrungen waren. Sie sah ihn kaum als ein irdisches, ihr ähnliches Wesen an, sondern als ein geheimnisvolles und heiliges Orakel. Sie liebte ihn nicht, aber sie fürchtete ihn. Seine Gegenwart war ihr unangenehm; sie verdüsterte ihren Geist selbst in seiner klarsten Stimmung. Sein erhabenes und eisiges Wesen erinnerte sie an einen jener hohen Berge, die über die Sonne einen Schatten warfen. Dessenungeachtet aber dachte sie nie daran, ihm seine Besuche zu verbieten, sondern verhielt sich ruhig unter dem Einflusse, der in ihrer Brust zwar nicht das Zurückstoßende, aber doch Etwas von der

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