Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
öffentliche Meinung ist concentrirt und stark; alle Augen sind auf deine Handlungen gerichtet; deine Motive im öffentlichen Leben stehen im Einklange mit deinen Verbindungen im Privatleben; jeder Punkt auf deiner engen Sphäre ist mit Individuen besetzt, die schon seit deiner Jugend dir vertraut sind; der Beifall deiner Mitbürger ist zugleich eine Liebkosung von Freunden. Aber in großen Staaten ist die Hauptstadt nur der Hof; die dir unbekannten Provinzen – fremd in ihren Sitten und vielleicht auch in ihrer Sprache – haben kein Recht auf deinen Patriotismus; die Voreltern ihrer Bewohner sind nicht die deinigen. Am Hofe suchst du Gunst, nicht Ruhm; ferne vom Hofe ist die öffentliche Meinung für dich verschwunden und die Selbstsucht ohne Gegengewicht.
    Italien! Italien! In dem Augenblicke, da ich dies schreibe, ist dein Himmel über mir und deine Meere fließen zu meinen Füßen; höre nicht auf jene blinde Politik, die alle deine glorreichen Städte, die um ihre republikanische Freiheit trauern, in ein einziges Reich verwandeln möchten. Falsche, verderbliche Täuschung! Deine einzige Hoffnung zur Wiedergutmachung beruht auf Theilung. Florenz, Mailand, Venedig, Genua, können wieder frei werden, wenn jedes einzeln frei ist. Aber träume nicht von der Freiheit für das Ganze, während du die Theile unter die Knechtschaft beugest; das Herz muß der Mittelpunkt der Organisation sein, das Blut muß überall frei hinrollen; große Staaten hingegen gleichen nur einem aufgedunsenen und kraftlosen Riesen, dessen Gehirn schwach, dessen Glieder lahm sind, und der durch Krankheit und Entkräftung dafür büßt, die natürlichen Verhältnisse der Gesundheit und Kraft überschritten zu haben.
    So auf sich selbst beschränkt konnten die herrlicheren Eigenschaften des Glaukus nur in jener überreichen Einbildungskraft, welche dem Vergnügen Anmuth und dem Gedanken Poesie verleiht, einen Ausweg finden. Behagliches Leben nur minder verächtlich, als ein Wettstreit mit den Parasiten und Sklaven, und obgleich die Ehrfurcht nicht geadelt werden konnte, so ließ sich doch der Luxus läutern. Aber was an Vortrefflichem und Glänzendem in Glaukus Herz geschlummert hatte, erwachte auf einmal, als er Ione kennen lernte. Hier war ein Reich, würdig des Strebens eines Halbgottes; hier eine Herrlichkeit, die der garstige Rauch einer verdorbenen Gesellschaft weder beschmutzen noch verdunkeln konnte. So kann die Liebe zu allen Zeiten und unter allen Verhältnissen Raum für ihre goldenen Altäre finden. Und saget mir, ob es je, selbst in den dem Ruhme günstigsten Zeiten einen erhabeneren und entzückenderen Triumph gegeben habe, als die Eroberung eines Herzens?
    Diese Empfindung also mochte ihn in Ione's Gegenwart so sehr begeistern, daß sein Geist höher glühte, seine Seele wacher und sichtbarer schien. Wenn es natürlich war, daß er sie liebte, so war es eben so natürlich, daß sie die Leidenschaft erwiderte. Jung, glänzend, beredt, liebeglühend und ein Athener, war er in ihren Augen die verkörperte Poesie des Landes ihrer Väter. Sie waren nicht wie die Geschöpfe einer Welt, deren Elemente Krieg und Schmerz sind, sondern wie Wesen, die nur an den Festtagen der Natur sichtbar sind; so herrlich und frisch war ihre Jugend, ihre Schönheit, ihre Liebe. Sie schienen auf dieser rauhen Alltagswelt nicht an ihrem Platze zu sein; sie gehörten eigentlich dem Zeitalter des Saturnus und den Träumen von Halbgöttern und Nymphen an. Es war, als ob die der Poesie des Lebens ursprüngliche Anmuth in ihnen sich gesammelt und seine Nahrung gefunden habe, und in ihrem Herzen concentrirten sich die Strahlen der Sonne von Delos und Griechenland.
    Wenn aber Ione in der Wahl ihres Lebens unabhängig zu Werke ging, so war ihr bescheidener Stolz in demselbem Maße wachsam und leicht zu beruhigen. Die Lüge des Egypters war von einer tiefen Kenntnis ihrer Natur eingegeben. Der Bericht von dem rohen und unzarten Benehmen des Glaukus verwandelte sie in ihrem Innersten; sie sah darin einen Tadel ihres Charakters und ihrer Lebensweise, vor Allem aber eine Bestrafung ihrer Liebe. Sie erkannte zum erstenmale, wie unvorsichtig schnell sie dieser Liebe nachgegeben hatte, und erröthete über eine Schwäche, deren Größe sie bebend ermaß; sie dachte sich, gerade diese Schwäche habe ihr die Verachtung des Glaukus zugezogen, und so litt sie die grausamste Pein edler Naturen, Demüthigung . Und doch war ihre Liebe vielleicht eben so beunruhigt, als ihr

Weitere Kostenlose Bücher