Die letzten Tage von Pompeji
tiefdenkende Plato, träumte von solch einer Liebe – seine Jünger haben ihn nachzuahmen gesucht; aber es ist dies eine Liebe, die kein Echo hat für die große Heerde – eine Liebe, die nur erhabene und edle Naturen begreifen können – sie hat nichts gemein mit den Sympathien und Banden niedriger Neigung – Runzeln sind ihr nicht zuwider – die Häßlichkeit der Gesichtszüge schreckt sie nicht ab. Sie verlangt allerdings Jugend, aber nur in der Frische der Empfindungen; sie verlangt allerdings Schönheit – aber nur die Schönheit des Gedankens und des Geistes. Dies ist die Liebe, o Ione, die der kalte und strenge Mann Dir als würdiges Opfer darbringt. Du hältst mich für streng und kalt – dies ist die Liebe, die ich auf Deinem Altar niederzulegen wage, Du kannst sie ohne Erröthen annehmen.«
»Und ihr Name ist Freundschaft!« entgegnete Ione; ihre Antwort war unschuldig, und doch klang sie wie ein Vorwurf gegen die durchschauten Absichten des Arbaces.
»Freundschaft!« sprach Arbaces heftig; »nein, das ist nur ein zu oft entweihtes Wort, um es auf eine so heilige Empfindung anzuwenden. Freundschaft! das ist ein Band, das Thoren und Wüstlinge verknüpft. Freundschaft! das ist der Bund, der die gehaltlosen Herzen eines Glaukus und Klodius umschlingt. Freundschaft! das ist eine irdische Neigung, gemeinen Gewohnheiten und unlautern Sympathien entsprungen; – das Gefühl, von dem ich rede, ist den Sternen entlehnt[Plato] . Es trägt etwas von jener mystischen und unaussprechlichen Sehnsucht in sich, die uns ergreift, wenn wir sie betrachten – es brennt, aber es läutert – es ist die Naphtalampe in der Alabastervase, die von herrlichen Wohlgerüchen glüht, aber nur durch die reinsten Gefäße strahlt. Nein, es ist nicht Liebe und ist nicht Freundschaft, was Arbaces für Ione fühlt. Gib ihm keinen Namen – die Erde hat keinen Namen dafür – es ist nicht von der Erde – warum es durch irdische Benennungen und irdische Beisätze erniedrigen?«
Nie zuvor hatte sich Arbaces so weit gewagt, aber er fühlte sich Schritt für Schritt auf festem Grund; er wußte, daß er in einer Sprach redete, die, wenn sie auch in unsern Tagen eines affektirten Platonismus schönen Ohren wohl verständlich sein würde, doch zu jener Zeit seltsam und ungewöhnlich klang, und mit der keine bestimmten Vorstellungen verknüpft werden konnten, so daß er unmerklich vorzurücken oder zurückzuweichen volle Freiheit hatte, wie es die Gelegenheit erforderte, und je nachdem die Hoffnung ermuthigte oder die Furcht abschreckte. Ione zitterte, obgleich sie nicht wußte, warum; ihr Schleier verhüllte ihre Züge und verbarg einen Ausdruck, der, wenn ihn der Egypter gesehen hätte, diesen zugleich entmuthigt und in Wuth versetzt haben würde; in der That hatte er ihr nie mehr mißfallen – die harmonische Biegsamkeit der überredensten Stimme, die je unheilige Gedanken verbarg, fiel mißklingend in ihr Ohr. Ihre ganze Seele war noch mit dem Bilde des Glaukus erfüllt und der Ausdruck der Zärtlichkeit aus jedem andern Munde entrüstete und erschreckte sie; doch glaubte sie nicht, daß eine glühendere Leidenschaft, als jene platonische Liebe, die Arbaces ausdrückte, unter seinen Worten laure. Sie glaubte, er habe in Wahrheit nur von der Neigung und Sympathie der Seele gesprochen; aber war es nicht gerade diese Neigung, diese Sympathie, die einen Theil der Gefühle ausmacht, die sie für Glaukus empfand? Und konnte irgend ein anderer Fußtritt, als der seinige, der wohlverwahrten Pforte ihres Herzens sich nähern?
Vom ängstlichen Wunsche geleitet, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, antwortete sie deshalb mit kalter und gleichgültiger Stimme: »Es ist natürlich, daß Arbaces, wen er auch immer mit dem Gefühle seiner Achtung beehrt, in seiner erhabenen Weisheit diesem Gefühle seine eigene Farbe gibt; es ist natürlich, daß seine Freundschaft reiner ist, als die Anderer, deren Treiben und Irrthum er zu theilen verschmäht. Aber sage mir, Arbaces, hast Du meinen Bruder kürzlich gesehen? Er hat mich seit einigen Tagen nicht besucht, und als ich ihn zuletzt sprach, beunruhigte und erschreckte mich sein Benehmen sehr; ich fürchte, er war zu voreilig in der strengen Wahl, die er getroffen, und bereut nun einen unwiderruflichen Schritt.
»Sei unbesorgt, Ione,« antwortete der Egypter. »Er war allerdings seit einiger Zeit unruhig und traurigen Geistes; Zweifel überfielen ihn, wie sie bei einem Menschen von jenem
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