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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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lästig; in ihrer Brust concentrirte er sich zur Unabhängigkeit. Sie verfolgte also ihren eigenen, hellen und einsamen Pfad; sie bat keine alte Matrone, sie zu leiten und zu lenken, sie wandelte bloß im nie flackernden Lichte ihrer eigenen Reinheit. Sie gehorchte keiner tyrannischen und allgemeinen Sitte, sondern formte dieselbe im Gegentheile nach ihrem eigenen Willen, aber auf so zarte Weise und mit so weiblicher Anmuth, mit so vollkommenem Fernehalten von jedem Irrthume, daß man nicht sagen konnte, sie trotze der Sitte, sondern sie gebiete ihr. Es war möglich, Ionen nicht zu lieben; vielleicht schien sie zu erhaben für die Liebe gewöhnlicher Geschöpfe; liebte man sie aber einmal, so ging es auch bis zur Anbetung. Der Born ihrer Anmuth war unerschöpflich, sie verschönerte die gewöhnlichsten Handlungen; ein Wort, ein Blick von ihr glich einem Zauber. Wer sie liebte, trat in eine neue Welt ein, und entfernte sich von dieser abgenutzten und prosaischen Erde. Man befand sich alsdann in einem Lande, wo das Auge alle Gegenstände durch ein Kaleidoskop sah. In ihrer Gegenwart glaubte man eine vortreffliche Musik zu hören; man war in jenes Gefühl getaucht, das so wenig von der Erde an sich hat, in jene Entzückung, die die Musik so herrlich einzuflößen vermag, die verfeinert und erhebt, die allerdings die Sinne erfaßt, aber nur, um ihnen die Eigenthümlichkeiten des Geistes zu verleihen.
    Sie war somit besonders geschaffen, die minder gewöhnlichen und kühneren Naturen zu beherrschen und zu fesseln. Sie lieben hieß zwei Leidenschaften vereinigen – die der Liebe und des Ehrgeizes; man strebte aufwärts, wenn man sie anbetete. Man darf sich also nicht wundern, daß sie die geheimnisvolle, aber feurige Seele des Egypters – eines Mannes, der die heftigsten Leidenschaften nährte – vollkommen gefesselt und unterjocht hatte. Ihre Schönheit und ihre Seele unterjochten ihn gemeinschaftlich.
    Da er selbst von der gewöhnlichen Welt abgesondert dastand, so liebte er jene Kühnheit des Charakters, die sich auch inmitten der Alltagsdinge eine besondere und erhabene Stellung zu verschaffen wußte. Er sah nicht, oder wollte nicht sehen, daß gerade diese Idealisierung sie von ihm noch mehr, als von der Menge entfernte. So ferne, wie die Pole von einander – ferne, wie der Tag von der Nacht, stund seine Einsamkeit von der ihrigen. Er stund vereinzelt da wegen seiner dunkeln, mit Feierlichkeit umgebenen Laster – sie durch ihre schönen Gefühle und ihre reine Tugend.
    Wenn es schon nicht befremden konnte, daß Ione das Herz des Egypters so an sich fesselt, so war es noch weit weniger auffallend, daß sie sich ebenso plötzlich als unwiderruflich des hellen und sonnigen Herzens des Atheners bemächtigte. Die Heiterkeit eines Temperaments, das aus Lichtstrahlen gewoben schien, hatten den Glaukus in den Strudel des Vergnügens gestürzt. Wenn er sich der Zerstreuung seines Zeitalters überließ, so gehorchte er nicht sowohl lasterhaften Eingebungen, als vielmehr den munteren Stimmen der Gesundheit und Jugend. Er warf den Lichtglanz seines Wesens über jede Kluft und jede Höhle, durch die er irrte. Seine Einbildungskraft blendete ihn, aber sein Herz war nie verdorben. Weit mehr durchdringenden Scharfsinn besitzend, als seine Kameraden vermutheten, sah er wohl, daß sie seinen Reichthum und seine Jugend auszubeuten suchten; oder das Geld hatte nur insofern Werth für ihn, als es ihm Mittel zum Genuß war, und die Jugend war das sympathische Pfand das ihn an sie knüpfte. Allerdings fühlte er den Antrieb zu ersterem Gedanken und zu einem höheren Ziele, als bei dem Vergnügungen errungen werden konnte; aber die Welt war damals ein großes Gefängnis, dessen kaiserlicher Kerkermeister der Beherrscher von Rom war, und dieselben Tugenden, die in den freien Tagen Athens dem Glaukus Ehrbegierde eingeflößt hatten, machten ihn in der Sklaverei der Erde unthätig und gleichgültig, denn bei jener widernatürlichen und mehr scheinbaren, als wirklichen Civilisation war jeder edle Wetteifer unmöglich gemacht. In den Regionen eines despotischen und wollüstigen Hofes wurde Ehrbegierde zu einem Kampfe der Schmeichelei und List. Habsucht war ausschließlich die Mutter der Ehrbegierde; man suchte Präturen und Provinzen, nur um das Privilegium zu haben, zu plündern. In den kleineren Staaten ist die Ehrliebe am thätigsten und reinsten; je enger die Grenzen des Kreises sind, desto glühender ist die Vaterlandsliebe. Die

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