Die letzten Tage von Pompeji
Anhänger des Galiläers sind, ohne es zu wissen, nur die Nachbeter einer der Allegorien vom Nil.«
Dies war der letzte Beweis, der den jungen Priester vollkommen überwältigte. Wie alle Menschen fühlte er das Bedürfnis, an Etwas zu glauben, und ungetheilt gab er sich dem Glauben hin, den ihn Arbaces lehrte, und dem endlich auch Alles, was Menschliches in der Leidenschaft, Schmeichelhaftes in der Eitelkeit, Verlockendes im Genusse liegt, als anziehende, sowie als vollkommen bekräftigende Macht, zur Seite stand.
Nachdem der Egypter diesen Sieg so leicht gewonnen hatte, konnte er sich nun gänzlich der Verfolgung eines ihm wichtigeren und werthvolleren Planes widmen, und in seinem guten Glücke bei dem Bruder begrüßte er ein günstiges Omen für seinen Triumph bei der Schwester.
Er hatte Ione am Morgen nach dem Gelage besucht, dessen Zeugen wir waren, und somit gerade den Tag, nach dem er sie gegen Glaukus gestimmt hatte. Er sah sie den zweiten und dritten Tag nachher wieder, und jedesmal bot er all seine Gewandtheit auf, theils um den Eindruck gegen Glaukus zu befestigen, hauptsächlich aber, um sie für die Eindrücke empfänglich zu machen, die sie nach seinem Wunsche emfpangen sollte. Die stolze Ione verhehlte die Qual, die sie erlitt, sorgfältig, und weiblicher Stolz besitzt eine Verstellung, die den schärfsten Blick täuschen, die vollendetste Schlauheit beschämen kann. Übrigens war Arbaces schlau genug, nicht wieder auf eine Gegenstand zurückzukommen, den ihn sein richtiges Gefühl als etwas höchst Unbedeutendes behandeln ließ. Er wußte, daß man durch längeres Verweilen bei dem Vergehen eines Nebenbuhlers diesem in den Augen der Geliebten nur einen gewissen Werth verleiht; das Klügste ist, ihn weder laut zu hassen, noch bitter zu verdammen, sondern ihn durch einen gleichgültigen Ton zu erniedrigen, als ob man gar nicht daran dächte, daß er geliebt werden könne. Das Sicherste für uns selbst ist, die unserm eigenen Stolze beigebrachte Wunde zu verhehlen, dagegen unbemerkbar den Stolz der Schiedsrichterin, deren Stimme ein Gebot des Fatums ist, zu verletzen! Dies wird zu allen Zeiten die Politik eines Mannes sein, der das weibliche Geschlecht kennt – es war jetzt die des Egypters.
Er kehrte nicht wieder auf die Anmaßung des Glaukus zurück: er nannte wohl seinen Namen, aber nicht öfter, als den des Klodius oder Lepidus. Er gab sich den Anschein, sie in eine Klasse zu stellen, als Wesen einer niederen, ephemeren Art; als Wesen, denen zum Schmetterlinge nichts fehlt, als dessen Unschuld und Anmuth. Bisweilen erwähnte er flüchtig irgend eine erfundene Schwelgerei, bei der sie Genossen gewesen seien; dann sprach er wieder von ihnen als von den Antipoden jener erhabenen und geistigen Naturen, zu deren Ordnung Ione gehörte. Durch den Stolz Ione's, sowie vielleicht durch seinen eigenen gleichmäßig verblendet, ließ er sich nicht träumen, daß sie bereits liebe; aber er fürchtete wenigstens, daß sie für Glaukus jene ersten flüchtigen Vorgefühle empfinde, die zur Liebe führen. Darum knirschte er auch insgeheim die Zähne vor Wuth und Eifersucht, wenn er an die Jugend, die Liebenswürdigkeit und den Glanz jenes fürchterlichen Nebenbuhlers gedachte, dem er anscheinend so geringen Werth beilegte.
Am vierten Tage nach der am Schlusse des vorigen Buches erzählten Begebenheiten saßen Arbaces und Ione wieder beisammen.
»Du trägst auch zu Hause einen Schleier,« hub der Egypter an; »das ist nicht schön gegen die, welche Du mit Deiner Freundschaft beehrst.«
»Was kann aber dem Arbaces,« antwortete Ione, die allerdings den Schleier über ihr Gesicht geworfen hatte, um die vom Weinen gerötheten Augen zu verbergen, »was kann aber dem Arbaces, der nur auf den Geist sieht, daran liegen, wenn das Gesicht verhüllt ist?«
»Ich sehe bloß auf den Geist,« antwortete der Egypter; »zeige mir darum Dein Antlitz, denn dort werde ich ihn sehen.«
»Du wirst zum Schmeichler in der Luft von Pompeji,« entgegnete Ione mit einem Tone erzwungener Heiterkeit.
»Glaubst Du etwa, herrliche Ione, ich habe Dich nur zu Pompeji schätzen gelernt?«
Des Egypters Stimme zitterte – er hielt einen Augenblick inne und fuhr sodann fort: »Es gibt eine Liebe, schöne Griechin, die nicht bloß die Liebe der Gedankenlosen und der Jungen ist – es gibt eine Liebe, die nicht mit den Augen sieht, die nicht mit den Ohren hört, sondern in welcher Seele für Seele glüht. Der Landsmann Deiner Vorfahren, der
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