Die letzten Tage von Pompeji
Charakter vollkommen. Es war übrigens nicht das Verlangen nach einer äußerlichen und rohen Gewalt, er verlangte nicht nach Purpur und Fasces, den äußeren Zeichen gewöhnlicher Herrschaft. Sein Stolz, seine Verachtung für Rom, welches damals die Welt ausmachte, und dessen stolzen Namen er mit derselben Verachtung anschaute, mit der Rom gegen Barbaren so freigebig war, würde ihm nie gestattet haben, nach äußerer Herrschaft über Andere zu streben, da ihn ja eine solche zum Werkzeug oder Geschöpf des Kaisers gemacht hätte. Er, der Sohn des großen Stammes des Ramases – er, die Befehle Anderer vollziehen, von Anderen seine Macht empfangen! Der bloße Gedanke erfüllte ihn mit Wuth. Während er jedoch einen Ehrgeiz verwarf, der nach bloßen nominellen Auszeichnungen strebte, fröhnte er nur um so mehr dem Ehrgeize, die Herzen zu beherrschen. Da er in der geistigen Macht die größte der irdischen Gaben verehrte, so liebte er es, diese Macht dadurch in sich selbst am deutlichsten zu fühlen, daß er sie über Alle, mit denen er verkehrte, ausdehnte. Darum hatte er von jeher die Jugend aufgesucht, darum sie verblendet und beherrscht. Er liebte es, in den Seelen der Menschen seine Unterthanen zu finden, über ein unsichtbares und körperloses Reich zu gebieten! –
Wäre er weniger sinnlich und weniger reich gewesen, so hätte er vielleicht versucht, der Stifter einer neuen Religion zu werden; so aber wurde seine Thatkraft durch seine Genußsucht gehemmt. Neben dem allgemeinen Verlangen nach geistiger Herrschaft (eine dem Weisen so eigenthümliche Eitelkeit) beseelte ihn zugleich eine seltsame, traumartige Ehrfurcht vor Allem, was mit dem mystischen Lande, über das seine Vorfahren geherrscht, in Verbindung stand. Obgleich er nicht an seine Gottheiten glaubte, so glaubte er doch an die Allegorien, welche sie darstellten, oder vielmehr, er legte sich dieselben neu aus. Er wünschte den Gottesdienst Egyptens aufrecht zu erhalten, weil er dadurch zugleich den Schatten und die Erinnerung seiner Macht aufrecht erhielt. Darum bedachte er die Altäre der Isis und des Osiris mit königlichen Schenkungen, und war stets überaus bemüht, die Würde ihrer Priesterschaft durch neue und reiche Convertitten zu wahren. War einmal das Gelübde abgelegt, der Priesterstand ergriffen, so wählte er gewöhnlich die Genossen seiner Schwelgereien aus Denjenigen, die er zu seinen Opfern gemacht; theils weil er sich hierdurch ihrer Verschwiegenheit versicherte, theils weil er seine eigenthümliche Gewalt über sie hiedurch noch mehr befestigte. Daher denn auch die Gründe zu seinem Benehmen gegen Apäcides, die im vorliegenden Falle durch seine Leidenschaft für Ione verstärkt wurden.
Er hat selten lange an einem Orte gelebt; je mehr er jedoch in den Jahren vorschritt, desto überdrüssiger wurde er des beständigen Wechsels des Schauplatzes, und schon hatte er in den herrlichen Städten Kampaniens sich so lange aufgehalten, daß er sich selbst darüber wunderte. Allerdings beschränkte ihn auch sein Stolz einigermaßen in der Wahl seines Aufenthaltes. Er konnte das Leben in jenem heißen Lande nicht ertragen, das er als sein eigenes, rechtmäßiges Erbe ansah, und das jetzt gebeugt und gesunken unter den Fittigen des römischen Reiches zitterte. Rom an sich selbst war seiner entrüsteten Seele verhaßt, und eben so wenig wünschte er seine Reichthümer etwa durch die Günstlinge des Hofes überwogen und durch die übermäßige Pracht des Hofes selbst zu verhältnismäßiger Armuth gestempelt zu sehen. Die kampanischen Städte boten ihm Alles, wornach seine Natur begehrte; die Annehmlichkeiten eines unvergleichlichen Klimas und alle Verfeinerungen einer genußsüchtigen Civilisation. Er sah hier keinen vermöglicheren Mann vor Augen, fand keinen Nebenbuhler für seinen Reichthum, und war frei vor dem Spionirsystem eines eifersüchtigen Hofes. So lange er reich war, kümmerte sich Niemand um sein Treiben und ungestört und sicher setzte er seinen dunkeln Pfad fort.
Es ist der Fluch sinnlicher Menschen, nie zu lieben, als bis die Freuden der Sinne ihre Kraft zu verlieren beginnen, als bis ihre glühende Jugend unter zahllosen Begierden vertändelt ist, ihre Herzen erschöpft sind. So hatte auch der Egypter, stets nach Liebe jagend, und durch eine rastlose Einbildungskraft vielleicht zu Überschätzung ihrer Reize veranlaßt, seine schönsten Jahre vergeudet, ohne das Ziel seiner Wünsche zu erreichen. Die Schönheit von Morgen folgte
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