Die letzten Tage von Pompeji
vom Boden, lächelte ein- oder zweimal freudig und sagte dann, als er den Weg seiner Nachtwache verließ und sein Lager suchte, vor sich hin; »Wenn der Tod mir so nahe droht, so will ich wenigstens sagen können, daß ich gelebt habe – Ione soll mein werden.«
Der Charakter des Arbaces gehörte zu jenen verwickelten, aus zahllosen Fäden bestehenden Geweben, in welchen selbst der darin wohnende Geist bisweilen irre geleitete und verwirrt wird. In ihm, dem Sohne eines gefallenen Herrscherhauses, dem Auswurfe eines gesunkenen Volkes, herrschte jener Geist unbefriedigten Stolzes, der stets an einem kräftigen Gemüthe nagt, das sich unerbittlich aus der Sphäre ausgeschlossen sieht, in welcher seine Väter glänzten und zu welcher Natur sowohl als Geburt auch ihm alle Ansprüche verliehen. Dieses Gefühl läßt durchaus kein Wohlwollen zu; es führt Krieg mit der Gesellschaft, sieht Feinde in den Menschen. Im gegenwärtigen Falle jedoch ging mit diesem Gefühle seine gewöhnliche Gefährtin, die Armuth, nicht Hand in Hand. Arbaces besaß einen Reichthum, der dem der meisten römischen Edeln gleichkam, und dies setzte ihn in den Stand, seinen Leidenschaften, die weder in Geschäften, noch in Ehrenstellen einen Ableitungskanal fanden, im höchsten Grade zu fröhnen.
Von Land zu Land reisend und überall nur Rom erblickend, erhöhte er seinen Haß gegen die Gesellschaft und seine Hang zum Genusse. Er lebte in einem ungeheuren Gefängnis, das er übrigens mit den Dienern seiner Schwelgerei auszufüllen in der Lage war. Da er aus diesem Kerker nicht entfliehen konnte, so ging sein einziges Streben dahin, denselben zu einem Palaste umzuschaffen. Seit den frühesten Zeiten waren die Egypter den sinnlichen Genüssen ergeben; Arbaces erbte sowohl ihre Gier nach Sinnengenuß, als auch die Glut ihrer Einbildungskraft, die selbst der Fäulnis dieser Genüsse ein Licht zu entlocken weiß. Aber still, ungesellig in seinen Vergnügungen, wie in seinen ernsteren Studien, und einen Andern weder über sich noch neben sich duldend, zog er nur Wenige in seine Gesellschaft, ausgenommen die willigen Sklaven seiner Verworfenheit. Er war der einsame Herr eines großen Harems. Bei alle dem jedoch fühlte er sich zu jener Übersättigung verdammt, die stets der Fluch von Männern sein wird, deren Geist über ihr Treiben erhaben ist, und was ursprünglich Antrieb der Leidenschaft gewesen, gefror bald zur bloßen Gewohnheit. Enttäuscht in seinen Erwartungen vom Sinnengenuß, suchte er sich durch wissenschaftliche Studien zu erheben; da es jedoch nicht sein Zweck war, den Menschen zu dienen, so verachtete er alles praktische und nützliche Wissen. Seine dunkle Phantasie fand ein Wohlbehagen daran, jenen geisterartigen und geheimnisvollen Forschungen sich hinzugeben, die einem verkehrten und zurückgezogenen Gemüth stets den höchsten Genuß gewähren, und zu welchen ihn überdies seine kühne, stolze Natur und die mysteriösen Überlieferungen seines Vaterlandes hinzogen. Allem Glauben an die verwirrten Religionssysteme der heidnischen Welt entsagend, setzte er den höchsten Glauben in die Macht menschlicher Weisheit. Die Grenzen, welche die Natur unsern Forschungen steckt, kannte er so wenig, als vielleicht irgend Jemand in jener Zeit. Da er fand, daß wir, je höher wir im Wissen steigen, desto mehr Wunder erblicken, so bildete er sich ein, daß die Natur nicht nur in ihrem gewöhnlichen Laufe Wunder vollbringe, sondern daß sie auch durch die Cabbala eines erhabenen Geistes von diesem Laufe abgelenkt werden könne. So verfolgte er die Wissenschaft über ihre festgesetzten Schranken hinaus, bis in das Land der Schatten und Irrthümer. Von den Wahrheiten der Astronomie ging er zu den Täuschungen der Astrologie über. Von den Geheimnissen der Chemie irrte er in das gespenstische Labyrinth der Magie, und er, der an der Macht der Götter zweifeln konnte, hegte eine höchst abergläubische Meinung von der Macht des Menschen.
Die Magie, welche damals unter den vorgeblichen Weisen sehr stark getrieben wurde, war eigentlich morgenländischer Abkunft; der früheren Philosophie der Griechen ferne stehend, fand sie bei diesen erst dann günstige Aufnahme, als Oethanes, der das Heer des Xerxes begleitete, in den einfachen Glauben der Hellenen den feierlichen Aberglauben des Zoroaster einführte. Unter den römischen Kaisern übrigens war die Magie – ein passender Gegenstand für Juvenals feurige Satire – auch in Rom einheimisch geworden. Im
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