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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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auf die Schönheit von Heute, und in seinem Haschen nach dem Wesen verwirrten ihn die Schatten. Als er zwei Jahre vor dem gegenwärtigen Zeitpunkte Ione erblickte, sah er zum erstenmale ein Weib, von dem er sich dachte, daß er es lieben könne. Er stand damals auf jener Brücke des Lebens, von welcher der Mensch zur einen Seite deutlich eine vergeudete Jugend, zur andern aber die Dunkelheit des herannahenden Alters gewahrt; eine Zeit, in welcher wir uns vielleicht mehr als je das vor Thorschluß zu sichern wünschen, was wir durch Erfahrung belehrt, als notwendig zu dem Genuß eines Lebens betrachten, dessen freundlichere Hälfte bereits entschwunden ist.
    Mit einem Ernst und einer Geduld, wie er sie nie zuvor auf seine Vergnügungen verwendet hatte, widmete sich Arbaces der Eroberung von Ione's Herzen. Es genügte ihm nicht zu lieben, er wünschte, geliebt zu werden. In dieser Hoffnung hatte er die sich entwickelnde Jugend der schönen Neapolitanerin bewacht, und vertraut mit dem Einflusse, den der Geist auf diejenigen ausübt, die selbst zu einer Ausbildung ihres Geistes angehalten werden, bereitwillig das Seinige gethan, um das Genie Ione's zu bilden und ihren Verstand aufzuklären, von der Hoffnung beseelt, daß sie hiedurch das zu würdigen im Stande sein würde, was er für sein bestes Anrecht auf ihre Neigung hielt, nämlich einen Geist, der, wenn auch lasterhaft und verkehrt, doch reich an ursprünglichen Elementen der Stärke und Größe war. Als er fühlte, daß dieser Geist Anerkennung fand, da gestattete er ihr gerne, ja ermuthigte er sie sogar, mit den leeren Anhängern weltlicher Genüsse zu verkehren, von der Voraussetzung ausgehend, daß ihre Seele, für höheren Umgang geschaffen, seine Gesellschaft vermissen und daß sie so durch die Vergleichung mit Andern ihn lieben lernen werde. Er hatte vergessen, daß, wie die Sonnenblume zur Sonne, so die Jugend sich zur Jugend kehrt, bis ihn plötzlich seine Eifersucht gegen Glaukus seines Irrthums überführte. Von diesem Augenblicke an nahm, obgleich er, wie wir wissen, den ganzen Umfang der Gefahr noch nicht kannte, seine lange zurückgehaltene Leidenschaft, ein wilderes und stürmischeres Wesen an. Nichts zündet das Feuer der Liebe besser an, als ein Funke aus der Angst der Eifersucht; die Liebe gestaltet sich sodann zu einer wilderen und unwiderstehlicheren Flamme, vergißt ihre Sanftmuth, hört auf, zärtlich zu sein, und nimmt Etwas von der Heftigkeit, von der Wildheit des Hasses an.
    Arbaces beschloß, mit vorsichtigen und gefährlichen Prophezeihungen keine Zeit mehr zu verlieren; er beschloß zwischen sich und seinen Nebenbuhler eine unwiderrufliche Schranke zu setzten; er beschloß, sich der Person Ione's zu bemächtigen. Allerdings hatte er sich keine gegenwärtige Liebe, die so lange gepflegt und durch reinere Hoffnungen, als bloß die der Leidenschaft genährt worden war, nicht mit diesem bloßen Besitze begnügte, denn er verlange eben so sehr nach dem Herzen und nach der Seele Ione's, als nach ihrer Schönheit; aber er bildete sich ein, wenn sie einmal durch ein kühnes Verbrechen von den übrigen Menschen losgerissen, und durch ein unauflösbares Band an ihn geknüpft sei, so werde sie gezwungen sein, alle ihre Gedanken in ihm zu concentriren; seine Künste, hoffte er, würden die Eroberung vollenden, und wie einst bei den Römern und Sabinern, die durch Gewalt errungene Herrschaft sich durch mildere Mittel befestigen. In diesem Entschlusse wurde er noch mehr bestärkt durch seinen Glauben an die Weissagungen der Sterne; längst schon hatten sie ihm dieses Jahr und sogar den gegenwärtigen Monat als den Zeitpunkt eines fürchterlichen, sein Leben selbst bedrohenden Unglücks bezeichnet. In einen bestimmten und sehr kurzen Termin eingeengt, beschloß er, wie ein Monarch, auf seinem Scheiterhaufen Alles, was seiner Seele am theuersten war, aufzuhängen, oder wie er sich selbst ausdrückte, wenn er sterben sollte, wenigstens zu fühlen, daß er gelebt habe, und also Ione zu der Seinigen zu machen.

Neuntes Kapitel.
Was aus Ione in dem Hause des Arbaces wird – Das erste Zeichen vom Zorne des furchtbaren Feindes.
    Als Ione in die geräumige Halle des Egypters trat, überkam auch sie derselbe Schauer, der ihren Bruder befallen hatte; ihr wie ihm schien etwas Unheimliches und Warnendes in dem stillen und wehmüthigen Angesicht jener thebanischen Ungeheuer zu liegen, deren majestätische und leidenschaftslose Züge sich im Marmor so gut

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