Die letzten Tage von Pompeji
Granitsäule ein kolossales Haupt von dem schwärzesten Marmor angebracht, das sie an dem die Sterne umgebenden Kranze von Weizenähren als eine Büste der großen egyptischen Gottheit erkannte. Arbaces trat an den Altar; er hatte seinen eigenen Kranz auf denselben niedergelegt, und schien jetzt damit beschäftigt, den Inhalt einer ehernen Vase in den Dreifuß zu schütten, aus welchem sofort eine blaue, sich rasch emporschlängelnde, unregelmäßige Flamme aufschoß. Der Egypter zog sich jetzt wieder an Ione's Seite zurück, und während er einige Worte in einer ihrem Ohre fremden Sprache murmelte, wehte der Vorhang hinter dem Altare zitternd hin und her, trennte sich langsam, und durch die hiedurch entstandene Öffnung erblickte Ione eine undeutliche und blasse Landschaft, die, je länger sie hinsah, allmählig heller und klarer wurde, bis sie zuletzt Bäume, Flüsse und Auen und all' die schöne Mannigfaltigkeit der reichsten Gegend deutlich unterschied. Endlich glitt vor der Landschaft ein dämmeriger Schatten hin, und blieb Ione gegenüber stehen. Langsam schien auch auf ihn derselbe Zauber, wie auf die übrige Landschaft einzuwirken; er nahm Form und Gestalt an und siehe – in seinen Zügen und Umrissen erblickte Ione sich selbst!
Jetzt verschwand die Landschaft hinter dem Gespenste, und an ihre Stelle trat das Bild eines prachtvollen Palastes; im Mittelpunkte seiner Helle erhob sich ein Thron; die dämmerigen Gestalten von Sklaven und Wachen reihten sich um ihn her, und eine bleiche Hand hielt eine Art von Diadem über den Thron.
Nunmehr trat eine neue Figur auf; sie war von Kopf bis Fuß in ein dunkles Gewand gekleidet, so daß man weder das Gesicht noch die Umrisse erkennen konnte; sie kniete vor dem Schatten der Ione nieder, erfaßte dessen Hand und zeigte nach dem Throne, wie um zu seiner Besteigung einzuladen.
Das Herz der Neapolitanerin schlug heftig.
»Soll der Schatten sich enthüllen?« flüsterte eine Stimme neben ihr – die Stimme des Arbaces.
»Ach ja,« antwortete Ione sanft.
Arbaces erhob seine Hand – das Gespenst ließ den Mantel, der seine Gestalt verhüllte, fallen, und Ione schrie laut auf – es war Arbaces selbst, der hier vor ihr kniete.
»Das ist in der That Dein Loos,« flüsterte ihr von Neuem des Egypters Stimme ins Ohr, »und Du bist bestimmt, die Braut des Arbaces zu sein.«
Ione erschrak, der schwarze Vorhang schloß sich über der Phantasmagorie, und Arbaces, der wirkliche, der lebende Arbaces lag zu ihren Füßen.
»O Ione« sagte er, sie leidenschaftlich anschauend, »schenke einem Manne Gehör, der lange vergebens mit seiner Liebe gekämpft hat. Ich bete Dich an! Das Geschick lügt nicht; Du bist bestimmt, die Meinige zu werden – ich habe umhergesucht in der Welt und kein Weib gefunden, das Dir gliche. Seit meiner Jugend seufzte ich nach einem Wesen wie Du. Ich habe geträumt, bis ich Dich sah – ich wache auf und erblicke Dich. Wende Dich nicht von mir ab, Ione, beurtheile mich anders als bisher; ich bin nicht jenes kalte, gefühllose und mürrische Wesen, das ich Dir geschienen habe. Nie liebte ein Mann ergebener und leidenschaftlicher, als ich Ione stets lieben werde. Suche Deine Hand nicht aus der meinigen zu befreien; sieh, ich lasse sie selbst los. Nimm sie zurück, wenn Du willst – gut, es sei so! – Verwirf mich nicht, Ione – verwirf mich nicht so vorschnell – erwäge wohl, welche Macht Du über mich haben mußt, da Du mich so verwandeln konntest. Ich, der nie vor einem sterblichen Wesen kniete, kniee vor Dir, ich, der ich dem Schicksale geboten, nehme jetzt das meinige von Dir hin. Ione, zittere nicht, Du bist meine Königin, meine Gottheit! – sei meine Braut! – alle Wünsche, die Du hegen kannst, sollen erfüllt werden. Die Enden der Erde sollen Dir dienen – Pracht, Macht und Herrlichkeit Deine Sklavinnen sein. Arbaces wird keinen andern Ehrgeiz haben, als den Stolz, Dir zu gehorchen. Ione, wende Deine Augen mir zu – bis Dein Lächeln auf mir ruhe. Dunkel ist meine Seele, wenn ihr Dein Angesicht verborgen ist – scheine über mich, meine Sonne – mein Himmel – mein Tageslicht – Ione, Ione, verwirf meine Liebe nicht!«
Obwohl allein in der Gewalt dieses seltsamen und furchtbaren Mannes, fühlte sich Ione doch nicht beängstigt; das Ehrfurchtsvolle in seiner Sprache, das Milde in seiner Stimme beruhigten sie, und in ihrer eigenen Reinheit fand sie den besten Schutz. Aber verwirrt und erstaunt war sie, und erst nach einigen
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