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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Himmel kämpften! Wer sehnte sich nicht, wenn Gott dieses Werktagsleben zu einem beständigen Festtag bestimmt hätte, wer sehnte sich alsdann nicht, hier für immer zu leben – nichts wünschend, nichts hoffend, nichts fürchtend, so lange dein Himmel über ihm schwebt, so lange deine Meere zu seinen Füßen funkeln, so lange dein Luft ihm süße Botschaften von Veilchen und Orangen bringt, und so lange das Herz, mit einer einzigen Empfindung sich begnügend, die Lippen und Augen finden kann, die ihm (Eitelkeit der Eitelkeiten!) mit der Versicherung schmeicheln, die Liebe könne der Abnützung trotzen und ewig sein?
    Unter diesem Himmel also und auf diesen Meeren, schaute der Athener in ein Antlitz, das der Nymphe, des Schutzgeistes des Ortes, würdig gewesen wäre. An den wechselnden Rosen dieser zarten Wangen seine Augen weidend, fühlte er sich glücklich über das Maaß des gewöhnlichen Lebensglückes, denn er liebte und wußte, daß er geliebt wurde.
    Die Beschreibung menschlicher Leidenschaften aus früheren Zeiten gewinnt gerade durch die Entfernung der Zeiten ein besonderes Interesse. Wir freuen uns, das Band, das die entferntesten Zeiten verknüpft, in uns zu fühlen. Menschen, Völker, Gebräuche vergehen. Die Neigungen sind unsterblich! – Sie sind der sympathische Reif, der alle Generationen umschlingt. Die Vergangenheit lebt wieder auf, wenn wir ihre Gefühle betrachten – sie lebt ins uns selbst! Was war, ist immer. Der Talisman, der die Tödten belebt, den Staub vergessener Gräber neu beseelt, liegt nicht in der Geschicklichkeit des Schriftstellers, sondern im Herzen des Lesers.
    Noch immer vergebens die Blicke Ione's suchend, welche halb niedergeschlagen, halb abgewendet die seinigen mieden, drückte der Athener die Gefühle, welche durch beseligendere Gedanken hervorgerufen werden, als diejenigen waren, welche dem Gesange der Nydia die Färbung gegeben, mit sanfter und leiser Stimme folgendermaßen aus:
Die Barke schwebt auf dem glühenden Meer,
Mein Herz auf den Wogen der Liebe daher;
Im Raume verloren, erschrickt es doch nicht,
Denn klar wie dein Aug ist der Fluten Gesicht.
Bald schwellend, bald hohl ist's über den Tiefen,
Dein Lächeln, dein Seufzen bestimmt sein Geschick;
Das Zwillingsgestirn[Anspielung auf die Dioskuren oder Zwillinge, die Schutzgötter der Schiffer] , das die Schiffer sonst riefen,
Der Leitstern, der Gott für das Herz – ist dein Blick.
     
Die Barke mag sinken, wenn Wolken erstehn,
Was soll sie auch, kann sie den Leitstern nicht sehn?
Dein Lächeln, dein Licht ist ihr Leben und Lust,
Dein Zürnen, dein Dunkeln des Daseins Verlust.
O sänk' sie, so lang sie kann Liebe noch lesen,
Im Auge, das frei vom Gewölke noch ist!
Ich möcht' nicht beweinen, was du mir gewesen,
Möcht streben, so lang ich noch weiß, was du bist.
     
    Als die letzten Worte dieses Liedes über die See hinzitterten, erhob Ione die Augen und begegnete denen ihres Geliebten. Glückliche Nydia! – glücklich in deinem Leben, daß du diesen bezaubernden und entzückenden Blick nicht sehen konntest, der so viel sagte, der das Auge zur Stimme der Seele machte, der die Unmöglichkeit eines Wechsels gelobte.
    Obgleich übrigens die Thessalierin diesen Blick nicht bemerken konnte, so errieth sie doch dessen Bedeutung an dem Schweigen der beiden Liebenden, an ihren Seufzern. Sie drückte ihre Hände fast kreuzweise gegen die Brust, als ob sie die bittern und eifersüchtigen Regungen derselben niederdrücken wollte, und beeilte sich sodann, zu sprechen – denn dieses Stillschweigen war ihr unerträglich.
    »Im Grunde genommen, o Glaukus,« sprach sie, »liegt nichts besonders Heiteres in Deinem Liede.«
    »Und doch wollte ich etwas Heiteres geben, als ich Deine Leier nahm. Hübsches Kind, vielleicht gestattet uns das Glück nicht, fröhlich zu sein.«
    »Wie sonderbar,« begann Ione, ein Gespräch ändernd, das sie zugleich beengte und entzückte, »daß seit mehren Tagen jene Wolke bewegungslos über dem Vesuv hängt, oder eigentlich nicht ganz bewegungslos, denn bisweilen wechselt sie ihre Form, und gerade jetzt erscheint sie mir wie ein gewaltiger Riese, der einen Arm über die Stadt ausstreckt; kommt sie Dir auch so vor, oder ist dieses Bild nur das Kind meiner Einbildungskraft?«
    »Schöne Ione! Auch ich finde diese Ähnlichkeit, und sie ist wirklich erstaunlich scharf ausgeprägt. Der Riese scheint auf der Spitze des Berges zu sitzen, die verschiedenen Schatten der Wolke stellen ein weißes und

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