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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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voraussagte.«
    »Ach,« entgegnete Apäcides wehmütig, »Du siehst einen elenden und verstörten Mann vor Dir! Von meiner Kindheit an habe ich die Tugend schwärmerisch angebetet, habe die Heiligkeit von Männern beneidet, die in Höhlen und einsamen Tempeln in die Gesellschaft überirdischer Wesen zugelassen wurden; meine Tage verzehrten sich in fieberhaften und unbestimmten Wünschen, meine Nächte in Visionen, die, obwohl sie feierlich waren, mich doch nur höhnten. Verführt durch die geheimnisvollen Prophezeihungen eines Betrügers habe ich dieses Gewand angelegt; meine Natur – ich bekenne es Dir frei – meine Natur empörte sich über das, was ich sah und woran ich Theil zu nehmen verdammt war! Nach Wahrheit ringend, ward ich nur ein Diener der Lüge. An dem Abend, an welchem wir uns zuletzt sahen, wurde ich durch Hoffnungen emporgehoben, die derselbe Betrüger, den ich bereits besser hätte kennen sollen, in mir erweckt hatte. Ich habe – doch lassen wir das – genug, ich habe Meineid und Sünde der Übereilung und der Betrübnis beigefügt. Nunmehr aber ist der Schleier für immer von meinen Augen gerissen – ich sehe einen Schurken, wo ich einem vermeintlichen Gotte gehorchte; die Erde dunkelt vor meinen Augen, ich befinde mich im tiefsten Abgrund der Finsternis; ich weiß nicht, ob es Götter da oben gibt – ob wir Geschöpfe des Zufalls sind – ob jenseits des beschränkten und düsteren Jetzt Vernichtung oder ein Nachher folgt – sage mir also Deinen Glauben, löse mir diese Zweifel, wenn Du in Wahrheit die Macht dazu hast.«
    »Ich wundere mich nicht,« antwortete der Nazarener, »daß Du also geirrt hast, also zum Zweifler geworden bist. Vor 80 Jahren hatte der Mensch noch keine Gewißheit von Gott oder von einer sichern und bestimmten Zukunft jenseits des Grabes. Neue Gesetze sind dem verkündet worden, der Ohren hat zu hören – ein Himmel, ein wahrer Olymp, ist dem enthüllt, der Augen hat zu sehen – habe also Acht und höre.«
    Und mit dem ganzen Ernste eines Mannes, der selbst inständig glaubt und eifrig ist, Andere zu bekehren, trug der Nazarener dem Apäcides die Verheißungen der Schrift vor. Er redete zuerst von den Leiden und Wundern Christi, weinte, während er sprach, und ging sodann zu den Herrlichkeiten der Auferstehung des Heilandes, zu der klaren Verheißung der Offenbarung über. Er beschrieb jenen reinen und unsinnlichen Himmel, der der Tugendhaften harrte; jene Flammen und Qualen, die das Los der Sünder seien.
    Zweifel, wie sie in dem Geiste späterer Vernünftler hinsichtlich der unermeßlichen Opferung Gottes für die Menschen, sich einstellen, konnten einem Helden jener Zeit sich durchaus nicht aufdrängen. Dieser war daran gewöhnt zu glauben, daß die Götter auf Erden gelebt, menschliche Gestalten angenommen, menschliche Leidenschaften, menschliche Beschäftigungen und menschliches Mißgeschick getheilt hätten. Was war denn das Wirken des Sohnes der Alkmäna, auf dessen Altären jetzt der Weihrauch von zahllosen Städten brannte, anders denn eine zum Besten des Menschengeschlechts übernommene Mühe? Hatte nicht der große horische Apoll eine mystische Sünde dadurch gesühnt, daß er zum Grabe hinabstieg? Alle Gottheiten des Himmels waren die Gesetzgeber oder Wohlthäter der Erde gewesen, und Dankbarkeit hatte zu ihrer Anbetung geführt. Für einen Heiden lag somit weder etwas Neues noch etwas Sonderbares in der Lehre, daß Christus vom Himmel gepflanzt worden sei und ein Unsterblicher die Sterblichkeit angenommen und die Bitterkeit des Todes verschmeckt habe; das Ziel aber, um Dessentwillen er also gerungen und also gelitten – wie unendlich herrlicher erschien es dem Apäcides als das, um Dessentwillen die alten Gottheiten die niedere Erde besucht und die Thore des Todes durchschritten hatten! War es nicht eines Gottes würdig, in die dunklen Thäler herabzusteigen, um die Wolken zu zerstreuen, die sich über dem dunklen Berge jenseits zusammgezogen hatten – um die Zweifel der Weisen zu stillen – um Vermuthung in Gewißheit zu verwandeln – und durch das eigene Beispiel die Regeln des Lebens vorzuzeichnen und durch Offenbarung das Geheimnis des Grabes zu lösen und zu beweisen, daß die Seele keiner vergeblichen Sehnsucht sich hingebe, wenn sie von einer Unsterblichkeit träume? Dieser letzte Punkt hauptsächlich war der stärkste Beweis jener niedern Männer, welche die Erde zu bekehren bestimmt waren. Wie dem Stolze und den Hoffnungen der Menschen

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