Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
Erretterin?«
    »Das ist unbedeutend,« antwortete Nydia kalt, ohne aufzusehen.
    »Ah, ich vergaß,« fuhr Ione fort, »daß ich zu Dir kommen muß.« Damit schritt sie längs der Schiffsbank hin, bis sie zu der Stelle kam, wo Nydia saß, schlang ihre Arme zärtlich um sie und bedeckte ihre Wangen mit Küssen.
    Nydia war an diesem Morgen blässer als gewöhnlich und ihr Gesicht wurde sogar noch bleicher und farbloser, während die schöne Neapolitanerin sie umarmte. »Aber wie kam es denn, Nydia,« flüsterte Ione, »daß Du die Gefahr, der ich ausgesetzt war, so genau erriethest? Kanntest Du den Egypter schon?«
    »Ja, ich kannte seine Laster.«
    »Und woher?«
    »Edle Ione, ich war eine Sklavin der Lasterhaften – die, denen ich diente, waren seine Gehülfen.«
    »Du hast wohl sein Haus schon betreten, da Du jenen geheimen Eingang so genau kanntest?«
    »Ich habe dem Arbaces auf meiner Leier gespielt,« erwiderte Nydia verlegen.
    »Und Du bist der Gefahr entgangen, aus der Du Ione gerettet hast?« entgegnete die Neapolitanerin in einer Stimme, die für das Ohr des Glaukus zu leis war.
    »Edle Ione, wir stehen weder Schönheit noch Rang zur Seite; ich bin ein Kind, eine Sklavin und blind; die Verachteten sind immer sicher.«
    Nydia gab diese demüthige Antwort in einem schmerzlichen, stolzen und entrüsteten Tone, und Ione fühlte, daß sie durch längeres Besprechen dieses Gegenstandes das arme Kind nur verwunden würde. Sie blieb deshalb still und die Barke schwamm jetzt in die See hinaus.
    »Gestehe, daß ich Recht hatte,« sprach Glaukus, »als ich Dich bestimmte, diesen schönen Mittag nicht in Deinem Zimmer zuzubringen – gestehe, daß ich Recht hatte.«
    »Du hattest Recht, Glaukus,« fiel Nydia schnell ein.
    »Das liebe Kind spricht für Dich,« erwiderte der Athener. »Gestatte mir jedoch, mich Dir gegenüber zu setzen, sonst könnte unser leichtes Boot das Gleichgewicht verlieren.«
    Mit diesen Worten nahm er seinen Sitz gerade Ione gegenüber und bildete sich, vorwärts lehnend, ein, es sei ihr Athem und nicht der Sommerwind, der die Wohlgerüche über das Meer hinströme.
    »Du wolltest mir sagen,« sprach Glaukus, »weshalb mir Deine Thüre so viele Tage verschlossen war.«
    »Oh, denke nicht mehr daran!« antwortete Ione schnell; »ich schenkte dem Gehör, was ich jetzt als boshafte Verleumdung erkenne.«
    »Und mein Verleumder war der Egypter?«
    Ione's Stillschweigen bejahte die Frage.
    »Seine Beweggründe liegen klar genug am Tage.«
    »Rede nicht mehr von ihm,« bat Ione, ihr Gesicht mit den Händen bedeckend, als ob sie selbst den Gedanken an ihn verbannen wollte.
    »Vielleicht ist er jetzt schon an den Ufern des langsamen Styx.« hub Glaukus von Neuem an, »doch hätten wir in diesem Falle wahrscheinlich von seinem Tode gehört. Dein Bruder hat, wie es mir scheint, unter dem schlimmen Einfluß seines finstern Gemüthes gelitten. Als wir gestern Nacht in Deinem Hause ankamen, verließ er mich plötzlich. Wird er sich je herablassen, mein Freund zu sein?«
    »Irgend ein geheimer Kummer nagt an ihm,« antwortete Ione unter Tränen. »Könnten wir ihn doch von sich selber abziehen! Laß uns gemeinschaftlich dieses Liebeswerk unternehmen.«
    »Er soll mein Bruder sein,« erwiderte der Grieche.
    »Wie ruhig,« sagte Ione, indem sie sich aus der düstern Stimmung zu erheben suchte, in welche sie der Gedanke an Apäcides gestürzt, »wie ruhig scheinen die Wolken am Himmel zu schweben und doch sagtest Du mir – denn ich selbst wußte es nicht – die Erde habe gestern Nacht unter unsern Füßen gebebt.«
    »Allerdings, und zwar, wie man sagt, heftiger als je seit der großen Erschütterung vor 16 Jahren; das Land, worin wir leben, hegt manchen geheimnisvollen Schrecken, und das Reich Pluto's, das sich unter unseren brennenden Feldern ausbreitet, scheint von unsichtbarem Kampfe gerissen. Fühltest Du gestern Nacht auf der Stelle, wo Du saßest, das Erdbeben nicht, und war es nicht die Furcht, Nydia, die Dich weinen machte?«
    »Ich fühlte wie der Boden unter mir schwankte und sich hob, wie eine ungeheure Schlange,« antwortete Nydia, »aber da ich nicht sah, so hatte ich auch keine Furcht und glaubte, die Erschütterung sei ein Zauber des Egypters. Man behauptet, er habe Gewalt über die Elemente.«
    »Du bist eine Thessalierin, meine Nydia,« erwiderte Glaukus, »und hast daher ein Nationalrecht, an Magie zu glauben.«
    »Magie – wer zweifelt daran?« entgegnete Nydia einfach, »etwa Du?«
    »Bis

Weitere Kostenlose Bücher