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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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vorige Nacht, in welcher ein nekromantisches Wunder mich allerdings erschreckte, glaubte ich, so viel mir bewußt, an keine andere Magie, als an die der Liebe!« sprach Glaukus mit zitternder Stimme, seine Blicke auf Ione geheftet.
    »Ach!« sagte Nydia mit einer Art Schauder und griff mechanisch einige freundliche Töne auf ihrer Leier, deren Ton zu der Ruhe des Wassers und zu der sonnigen Stille des Mittags trefflich paßte.
    »Spiele uns, liebe Nydia,« hub Glaukus an, »spiele und gib uns eines Deiner alten thessalischen Lieder, mag es nun von Magie handeln oder nicht, wie Du willst, wenn es nur von Liebe spricht.«
    »Von Liebe!« wiederholte Nydia, ihre großen, unstäten Augen aufschlagend, die Alle, welche darein schauten, mit einem gemischten Gefühle des Mitleidens und der Furcht erfüllten. Nie konnte man sich an ihren Anblick gewöhnen; so sonderbar erschien es, daß diese dunklen, wilden Kreise den Tag nicht kennen sollten, und ihr tiefer, geheimnisvoller Blick war entweder so starr, oder ihr Glanz so unruhig und wirr, daß man, wenn man ihnen begegnete, denselben unbestimmten und unheimlichen, halb übernatürlichen Eindruck empfand, den die Gegenwart von Wahnsinnigen in uns hervorruft – von Menschen, die, obwohl ihr äußeres Leben dem unsern gleicht, doch im Innern ein unähnliches, unergründliches und unenträthselbares Leben führen!
    »Willst Du, daß ich von Liebe singe?« sagte sie, diese Augen auf Glaukus richtend.
    »Ja!« antwortete er und blickte zu Boden.
    Sie entfernte sich ein wenig aus dem sie noch immer umfassenden Arme Ione's, als ob diese sanfte Umarmung ihr hinderlich wäre, setzte ihr leichtes und anmuthiges Instrument auf ihr Knie und sang nach einem kurzen Vorspiel folgendes Lied:
Der Wind und der Lichtstrahl liebten die Rose,
Die Rose, sie liebte das Licht;
Wen fesselt der Wind, der haltungslose?
Wer liebt die Sonne nicht?
     
Wer weiß es, wohin der Wind sich stehle,
Der Wolken willenlos Spiel?
Wer träumt sich in sein Geächz' eine Seele,
Sein Murren ein zartes Gefühl?
     
O glückliches Licht, wie leicht kannst du malen
Das Feuer, von welchem du glühst,
Das Bild deiner Liebe, es liegt in den Strahlen,
Womit du den Liebling begrüß'st!
     
Doch wie kann der Wind seine Liebe bezeugen,
Vor dessen Gestöhn man erschrickt?
Laß zu der Geliebten ihn nieder sich beugen:
Sieh, seine Umarmung erstickt.
     
    »Das ist ein trauriges Lied, süßes Mädchen,« sagte Glaukus, »Deine Jugend fühlt bis jetzt bloß den dunkeln Schatten der Liebe; eine ganz andere Begeisterung aber erweckt sie, wenn sie selbst hervorbricht und auf uns leuchtet.«
    »Ich singe, wie ich gelehrt wurde,« antwortete Nydia seufzend.
    »Dein Lehrer war also unglücklich in der Liebe – versuch' doch ein heitereres Lied. Doch nein, Mädchen, gib mir das Instrument.« Während Nydia gehorchte, streifte ihre Hand die seinige und bei dieser leichten Berührung hob sich ihre Brust, röthete sich ihre Wange. Ione und Glaukus bemerkten, ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, diese Zeichen sonderbarer und frühreifer Regungen nicht, die ein Herz verzehrten, das, durch die Einbildungskraft genährt, der Hoffnung entsagte.
    Und jetzt dehnte sich breit, blau und hell vor ihnen, das halcyonische Meer aus, schön wie ich es in diesem Augenblicke, siebzehn Jahrhunderte später, dieselben göttlichen Küsten bespülen sehe. Himmel, der noch jetzt durch einen sanften Zauber wie zur Zeit der Circe, verweichlicht – der uns unbewußt und geheimnisvoll zur Harmonie mit sich selbst umgestaltet, jeden Gedanken an härtere Arbeit, die Stimme des wilden Ehrgeizes, den Kampf und Lärm des Lebens verbannt – der uns mit anmuthigen und überwältigenden Träumen erfüllt und unserer Natur das zum Bedürfnisse macht, was am wenigsten irdisch an ihr ist, so daß die Luft selbst uns die Sehnsucht und den Durst nach Liebe einhaucht. Jeder, der dich besucht, scheint die Erde und ihre bittern Sorgen hinter sich zu lassen – durch das elfenbeinerne Thor in das Land der Träume zu treten! Die jungen und lockenden Horen der Gegenwart – die Horen, jene Kinder des Saturn, welche dieser immer zu verschlingen trachtet, scheinen hier vor ihm gesichert zu sein. Die Vergangenheit wie die Zukunft sind vergessen, wir genießen bloß den Augenblick. Blumen im Garten der Welt, Quelle des Entzückens, Italien von Italien, schönes, mildes Kampanien! – übermüthig fürwahr waren die Titanen, wenn sie an dieser Stelle noch um einen andern

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