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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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aller Lasten.«
    Â»Aber die Welle war keine Gefahr für Euch.«
    Â»Um das vorher zu wissen, hätte Ohter mich für voll nehmen müssen. Das hat er aber nie getan. Anders als du. Du vertraust mir, obwohl ich eine Frau bin.«
    Â»Das hat doch nichts mit Frau oder Mann zu tun.«
    Â»Doch, das hat es. In einer Gegend wie dieser besonders. Frag deinen klippenwälder Freund. Und frage die Alten und Mächtigen des Kontinents, was es für sie bedeutet, daß der König nun eine Frau ist. Du hast keine Schwierigkeiten damit, dich einer Frau unterzuordnen, die mehr weiß als du. Das macht dich zu einem seltenen Mann.«
    Â»Ich bin nicht halb so selten, wie ich manchmal gerne wäre. Aber nun zu der Frage, die mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet: Warum findet das Anlanden der Wale beinahe gleichzeitig statt mit dem Attentatsversuch auf Euch? Eigentlich hat doch das eine nichts mit dem anderen zu tun. Aber hätte es den Anschlag auf Euer Leben nicht gegeben, hätten wir Euch nie gefunden und wüßten immer noch nichts von dem Gefangenen auf Yrmenlafs Schiff.«
    Â»Wie würdest du so etwas nennen? Glück?«
    Â»Ich weiß es nicht. Zufall?«
    Â»Deine Frage hätte auch lauten können: Weshalb schickt euch Riban Leribin nicht gleich zu mir und läßt euch statt dessen mühsam in Wandry nach Hinweisen und Fährten suchen?«
    Â»Richtig. Weshalb?«
    Â»Weil er nicht wußte, daß ich hier bin? Weil er mich vergessen hat, seitdem ich alt und unansehnlich bin? Weil er ein Mann ist? Oder weil er mit euch etwas anderes vorhat, als euch einfach nur Aufgaben lösen zu lassen? Speziell mit dir. Weil der Weg oft von größerer Bedeutung ist als das Erreichen eines Zieles. Weil ihr Antworten berührt auf eurem verschlungenen Pfad der Fragen, die ihr niemals erhalten hättet, wäret ihr den einfachsten Weg gegangen. Ihr mußtet das Vertrauen einer Frau erringen, um mich finden zu können. Um nur ein einziges winziges Beispiel zu nennen.
    Warum bittet der Krabbenfischer Ohter den Stadtkapitän Yrmenlaf um die Erlaubnis, eine alte Hexe, mich, mit der sich Ohter seit Jahren herumstreitet, beseitigen zu dürfen mit Hilfe eines Magiers, der seit über acht Jahren von Yrmenlaf gefangengehalten wird und vor etwa einem halben Jahr begonnen hat, einen Hilferuf durchs Meer hinauszusingen, der vor zwei Monden von Walen gehört wurde, die dann einen Tag nach dem nicht ganz freiwilligen Wellentod der alten Hexe hier eintreffen und den Wellenzauberer mindestens befreien, womöglich aber ebenfalls friedenbringend töten werden?
    Ganz einfach. Weil die Dinge sich ganz langsam aufbauen wie eine Welle. Weil sie dann irgendwann eine Höhe erreichen, die unmöglich tragen kann. Weil sie dann brechen und mit ihrem Brechen benachbarte Wellen ebenfalls zum Brechen bringen. Weil die Dinge immer gleichzeitig passieren oder gar nicht. Weil entweder Ebbe herrscht oder Flut. Die Welt ist das Meer. Der Kontinent ist nichts weiter als eine Nußschale im Ozean, unterworfen dem ewigen Spiel der Gezeiten.«
    Rodraeg schüttelte lächelnd den Kopf. »Wenn ich einen … sagen wir – Erdmagier das alles gefragt hätte, dann hätte ich zur Antwort bekommen: Weil die Welt ein Berg ist. Weil man entweder auf dem Gipfel steht und alles sieht, oder im Tal und nichts.«
    Die Gezeitenfrau lachte wieder und schlug sich auf die Schenkel. »Und er hätte nicht weniger recht gehabt als ich! Die Welt ist für uns Menschen nicht zu begreifen, es sei denn, wir fassen sie in die Begriffe, die wir fassen können.«
    Â»Dennoch finde ich es enttäuschend, daß das Rad der Ereignisse durch nichts weiter als reinen Zufall in Bewegung gesetzt wurde.«
    Â»Aber das stimmt ja gar nicht. Es gibt eine logische Verkettung. Die vielleicht bedeutendste Lektion dieses Tages steht dir noch bevor. Überlege selbst! Was ist die Verknüpfung zwischen den Walen und der Welle?«
    Â»Hm. Das Stadtschiff?«
    Â»Nein, das Stadtschiff unterliegt derselben Verknüpfung. Was verbindet die Wale, die Welle und das Schiff?«
    Â»Das Meer?«
    Â»Ja, auch, aber das meine ich nicht. Junge, denk doch mal nach! Es steht so dicht vor deinen Augen, daß du es nicht erkennen willst.«
    Â»Ich muß passen …«
    Â»Aaaachh! Ihr seid es! Ihr, das Mammut! Ihr taucht hier auf und stellt Fragen. Ihr seid ernsthaft und besorgt, ihr seid Fremde,

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