Die letzten Worte des Wolfs
unendlichen Weiten verliert.
Welch ein jammervolles und hämisch schadenfrohes Leichenbegängnis! Alle die Geier der See im festlichen Trauergewand, alle die Haie der Luft in Schwarz oder Schwarzweià gehüllt. Zu Lebzeiten, dünkt mich, hätten nur wenige von ihnen dem Wal beigestanden, wenn er von ungefähr in Not geraten wäre; doch auf dem Leichenfest stürzten sie sich alle über ihn. O grausiges Aasgeiertum der Weltbewohner! â auch der mächtigste Wal ist sein Opfer.
Rodraeg klappte das Buch wieder zu. Auf der Rückreise würde er beginnen, es ganz zu lesen.
»Ihr wolltet ans Meer, um die lebendigen singenden Schiffe zu schützen«, waren Dascos Abschiedsworte an das Mammut gewesen. »Das ist wohlgemeint, wirklich. Nur wart ihr nicht einmal in der Lage, meine Wölfe und mich zu schützen.«
Es stimmt, dachte Rodraeg, daà wir versagt haben bei deinen Wölfen und dir. Wir haben nichts verstanden und hatten niemanden, der uns etwas hätte erklären können. Aber jetzt haben wir Hilfe. Eine Treidelmagierin und die Gezeitenfrau von den
Zehn. Wir haben den Sohn eines weiteren Mitglieds der Zehn, wir haben einen der besten Bogenschützen des Kontinents, wir haben Bestar, den furchtlosen Streiter. Es wird keine toten Buckelwale im Sund von Wandry geben. Das schwöre ich.
Er schlief ein, den Kopf auf dem Buch, umspült von den Wassern der Glutsee, vom langsamen Atmen der Tiden, die Flutwellen Riban Leribins fest verschlossen in der Brust.
16
Freisetzung
Am Nachmittag begannen sie, einen Plan, den Rodraeg erarbeitet hatte, in die Tat umzusetzen.
Den Vorteil, daà sie alle mit einiger Wahrscheinlichkeit von Ohter für tot gehalten wurden, wollten sie nicht verspielen, also beschlossen sie, diesen Strand hier als Basis beizubehalten. Bestar und Rodraeg ruderten Danahe, die so schnell wie möglich nach Wandry zurück sollte, damit ihre Familie sich nicht in Sorgen zermürbte, zum Norderhafen zurück, während Hellas und Eljazokad mit der Gezeitenfrau in der Strandhöhle blieben und warteten.
Im Norderhafen glitten sie in der Deckung einiger gröÃerer Schiffe an das Schiff heran, das Danahe ihnen als Yrmenlafs Hauptschiff bezeichnete, ein schnittiger Zweimaster mit hölzernen Bugverzierungen. Bestars Aufgabe war es, Bemannung und Erkletterbarkeit des Schiffes auszuspähen. Nach einer groÃzügigen Umrundung konnte er Rodraeg einen Bericht zusammenfassen. »Zwei Mann halten Wache auf Deck, aber nachts können es auch drei oder vier sein. Sie gehen auf und ab mit sich überkreuzenden Wegen. Das soll verhindern, daà man einen nach dem anderen ausschalten kann, ohne daà es den anderen auffällt. Wenn man aber schnell ist oder jemanden wie Hellas zur Hand hat, ist das trotzdem kein Problem. An Deck kommt man über die Ankerkette. Am besten schwimmt man dorthin, nachdem Hellas vom Ruderboot aus die Wachen ausgeschaltet hat.«
»Ich möchte die Wachen nicht umbringen«, bemerkte Rodraeg. »Sie tun einfach nur ihre Arbeit und haben nichts Böses getan. Danahe, meinst du, daà du uns in Wandry so etwas wie ein schnell wirkendes Pfeilgift besorgen kannst? Etwas, das nicht tötet, sondern lähmt?«
»Mit so etwas kenne ich mich nicht aus«, gab die Treidelmagierin zu. »Aber in meinem Viertel gibt es jemanden, der Kräutermischungen macht. Ich kann es versuchen.«
»Gut. Dann triff dich mit uns zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit dort hinten am nördlichsten Kai.«
»Mache ich.«
»Gut wäre, wenn wir nicht nur Pfeilgift hätten«, gab Bestar zu bedenken. »Unter Deck sind wahrscheinlich auch noch welche. Wenn wir einen Lappen hätten wie die in Terrek, getränkt mit so stinkendem Zeug, dann könnten wir die restlichen Wächter damit betäuben.«
»Betäubungswasser kann euch die Gezeitenfrau herstellen«, schlug Danahe vor. »Sie weiÃ, wie man Salzwasser süÃ, SüÃwasser salzig und Trinkwasser bitter machen kann.«
Rodraeg nickte. »Wir versuchen es mit ihr, aber du kannst trotzdem den Kräutermenschen fragen. Ich komme für die Unkosten auf. Vielleicht kannst du auch hinterher noch Sery Talta bitten, die Wirkung der Substanzen magisch zu verdreifachen. Du kannst ihm ruhig erzählen, worum es geht. Er weià von uns und ist auf unserer Seite. Ach, und noch etwas: Falls du beim Fischer, der uns das Ruderboot
Weitere Kostenlose Bücher