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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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um alles. Nicht nur um die Wale, sondern auch um das Fortbestehen des Mammuts. Rodraeg mußte sich klarmachen, daß diese vier Jäger keine Menschen im herkömmlichen Sinne waren. Die Jäger von der anderen Seite, hatte Dasco seine Mörder genannt. Die erbarmungslosen Mammutschlächter aus einem in den Abgrund führenden Traum.
    Rodraeg kniff die Augen zusammen und schlug zu. Der mit dem Pfeil im Kopf brach zusammen und atmete nicht mehr. Das war eher ein Gnadenakt gewesen als ein Totschlag, dennoch fühlte Rodraeg sich, als sei sein Leib eine Glocke und ein gewaltiger Glockenklöppel schlüge in seinem Inneren hin und her und schabte durch seine Eingeweide.
    Benommen eilte er weiter. Mit dem Armbrustschützen – in dessen Schulter, wie Rodraeg jetzt erst sehen konnte, ohnehin schon einer von Hellas’ früheren Pfeilen steckte – wurde der Bogenschütze schon fertig, aber der mit den Hornzöpfen war unverletzt und ohne Gegner. Rodraeg stürmte heran, den Anderthalbhänder beidhändig zum Schlag ausholend. Er mußte an Endailon denken, an das Ritterturnier, in dem er zum ersten und letzten Mal in seinem Leben ernsthaft mit einem Schwert gefochten hatte. Nicht um zu töten, nur um zu siegen. Die Waffen waren umwickelt gewesen. Jetzt waren die Klingen und die Seelen entblößt.
    Obwohl er immer noch nichts sehen konnte, war der Angegriffene in der Lage, Rodraegs ungestümen Ansturm zu hören. Er riß die Doppelaxt hoch und schwang sie wie einen todbringenden Schild in alle möglichen Richtungen. Rodraeg mußte abbremsen, zurücktänzeln, abwarten, noch weiter zurückweichen, dann vorstoßen – und dann erst konnte er treffen. Der Jäger wankte, fiel aber nicht. Sein Sehvermögen klärte sich. Mit tränenden Augen fixierte er Rodraeg, der wieder kurz vor einem Hustenanfall stand, diesen aber genau so in sich niederrang wie Zweifel und Ekel. Beide Waffen schepperten gegeneinander. Der Jäger war kräftiger, aber Rodraeg wandte einen verschrobenen Trick an, den sein Onkel Severo ihm beigebracht hatte: Er hob das Schwert weit, wie um von oben rechts zuzuschlagen, ließ den Arm und die für ein solches Einhandmanöver ohnehin viel zu schwere Waffe dann aber absinken und schlug schwungunterstützt von rechts unten zu. Aufwärtsschlag statt Abwärtsschlag. Die winterliche Fellkleidung des Jägers fing einen Teil der Wucht ab, dennoch schnitt die Klinge durch Haut, Fleisch und Muskeln, schabte über Knochen und wurde schneidend wie ein Messer von Rodraeg wieder herausgezogen. Dem tödlichen Stoß hatte der Jäger nun nur noch eine Abwehrbewegung der Axt entgegenzusetzen, aber Rodraeg umging diese, stach vor, traf und tötete den Mann. Keine Gnade, hämmerte die Glocke in ihm. Keine Menschen.
    Dies war alles nur ein Traum. Ein Alptraum. Das kleine Mammut warf sich vor der schwindelerregenden Tiefe herum und tötete die siegessicheren Verfolger mit Stoßzähnen, die ihm eigentlich noch gar nicht gewachsen waren.
    Hellas stocherte immer noch in dem Armbrustschützen herum, der bereits sterbend auf dem Deck lag. Vom Blut der Jäger ging ein eigenartiges Aroma aus, fast wie von schwerem Wein.
    Jetzt noch der Blauhaarige. Der Anführer.
    Bestar wich, entwaffnet und hinkend, vor ihm zurück. Sein Schwert drehte sich mehrere Schritte entfernt auf besudelten Planken. Der Klippenwälder hatte ein untrügliches Gespür dafür, sich immer genau den Gegner auszusuchen, den er nicht besiegen konnte. Andererseits hatte er dadurch, daß er den Blauhaarigen aufhielt, Hellas und wahrscheinlich auch Rodraeg das Leben gerettet.
    Das Segel schlug um. Steuerlos krängte der Einmaster sich schräg in den Wind.
    Mit rasselndem Atem sprang Rodraeg vor und griff den Blauhaarigen an. Das konnte nur ein Traum sein! Er war ein Rathausschreiber, verdammt! Möglicherweise auch ein hauptstädtischer Advokat in abgebrochener Ausbildung, ein hilfloser Dorfschullehrer in einem Gewimmel von ungebärdigen Kindern, aber doch nie und nimmer ein Schwertkämpfer. Ryot Melrons aberwitzige Klinge war viel zu lang. Der Gegner war viel zu groß und imposant, seine Gesichtszüge zu ebenmäßig und ruhig, seine Haare so lang und leuchtend blau wie eine Theatermaske. Es ging um alles.
    Mit Müh und Not gelang es Rodraeg, beide Krummsäbel zu parieren. Die Finger wurden ihm taub unter dieser Wucht. Das Langschwert

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