Die letzten Worte des Wolfs
gab darüber Auskunft, wie Walfänger sich zu eigen machten, daà Wale keine Wasser-, sondern Luftatmer waren, die zum Atemschöpfen an die Meeresoberfläche kommen muÃten, wo man ihnen gut auflauern konnte. Verbreitungsgebiete: die westliche Eissee und die nördliche Glutsee. Also um die Klippenwälder herum.
Rodraeg fand es ärgerlich, daà auch dieser Text aus dem Blickpunkt des Jagens und Zur-Strecke-Bringens geschrieben war â wie so viele Texte in der Encyclica. Man konnte den Eindruck gewinnen, daà das Töten und allenfalls noch das mit Zwang verbundene Abrichten die einzigen Tätigkeiten waren, bei denen Menschen und Tiere sich begegneten. Aber vielleicht stimmte das ja auch, und deshalb muÃte das Mammut jetzt nach Wandry.
In den folgenden zwei Stunden versuchte Rodraeg noch etwas über Fängermagie in Erfahrung zu bringen. Er durchforstete dazu mehrere gelehrte Abhandlungen über Magie, ihre Rituale und ihre Geschichte. Im wesentlichen wurden Naenns Ausführungen bestätigt, aber die Götter hatten mit dem Verbot nichts zu tun gehabt. Einige Fürsten aus einem Zeitalter lange vor der Vereinigung hatten sich auf das Verbot von Fängermagie geeinigt, um wechselseitige Zwistigkeiten um Hoheitsgrenzen zu unterbinden. Fängermagier, die das neue Gesetz nicht einhielten, wurden als Wilderer geächtet und zur Strecke gebracht. Ein Fängermagier namens Cingeco hatte daraufhin seine Rache in die Hafenstadt Brissen getragen, mit seiner Macht sämtliche jungen Frauen in den Thostwald gelockt und sie alle geschwängert. Cingeco wurde öffentlich gevierteilt, aber immer noch spotteten böse Zungen, alle heutigen Brissener hätten den selben Stammvater. Mit der kontinentalen Vereinigung unter König Rinwe wurde das Fängerverbot allgemeingültig und bis heute nicht wieder gebrochen. Bis heute, da die Stadt Wandry sich anschickte, das »Ausgestorben« in der Encyclica wahr zu machen.
Rodraeg überlegte, ob es nicht möglich wäre, Wandry einfach anzuzeigen. SchlieÃlich war das Tun der Stadt hochgradig ungesetzlich. Das Mammut könnte zur Abwechslung mit der Königin und ihren Gardisten zusammenarbeiten. Aber das Problem dabei war die Zeit. Bis Beweise erbracht waren und Ermittlungen durchgeführt, bis die Mühlen der Schiedsgerichte zu mahlen begannen und durchsetzbare Anweisungen hervorbrachten, war der fünfte Tag des Sonnenmondes längst verstrichen und die Buckelwale Vergangenheit. Aber immerhin: Es muÃte auch in Wandry eine königliche Gardegarnison geben, die das Mammut unter Umständen zu Hilfe rufen konnte.
Nun wollte Rodraeg sich noch mit Wandry, seiner Geschichte und den dortigen Gepflogenheiten vertraut machen, aber das diesbezügliche Karten- und Berichtmaterial war dermaÃen eingestaubt, daà sein Husten zurückkehrte und sich nicht mehr niederhalten lieÃ. Unter den strafenden Blicken mehrerer Rathausbediensteter verlieà er beinahe fluchtartig die Bibliothek und das Gebäude, setzte sich auf dem Marktplatz zwischen mehrere Trinker in den Abendschatten der Rinwelinde und hustete, bis er sich beinahe übergeben muÃte. Die Trinker lachten und feuerten ihn an und boten ihm von ihrem Selbstgebrannten, aber Rodraeg lehnte mit geröteten Augen ab. Er brauchte seine letzten beiden Pastillen auf, erst dann konnte er wieder einigermaÃen atmen.
Der Husten wurde immer schlimmer. Wenn Kjeers Hemd, das er zwischen seinen Fingern knüllte, nicht wirkte, würde Rodraeg die Strapazen der zweiten Mission möglicherweise nicht überstehen.
Erst nach beinahe einer Stunde wagte Rodraeg aufzustehen und vorsichtigen Schrittes nach Hause zu gehen. Er muÃte auch diese Wahnvorstellung aus dem Kopf bekommen, daà jeder Warchaimer ihn miÃbilligend ansah, nur weil er Husten hatte. Die wenigsten beachteten ihn überhaupt.
Von innen aus dem Haus des Mammuts konnte er angenehm vertraute Stimmen und das Klirren von Tellern hören. Cajin hatte anscheinend das Abendessen zubereitet. Rodraeg genoà diesen Augenblick, legte seine Stirn gegen die Tür und berührte mit den Fingern das aufgemalte Mammut, um Kraft daraus zu ziehen.
Warum konnte nicht der ganze Tag nur ein Traum gewesen sein? Naenn war nicht schwanger von Ryot Melron. Der Husten verschlimmerte sich nicht. Sie muÃten nicht morgen schon aufbrechen, um sich mit einem Gegner vom Schlage eines Cingeco anzulegen. Alles war
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