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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wieder hin und überlaßt den Lauf des Kontinents den Blinden und den Ohnmächtigen.« Der Mann wandte sich ab und ging raschen Schrittes davon. Von einer Verwachsung oder sonstigen körperlichen Beeinträchtigungen war nichts mehr zu sehen. Er wirkte eher kräftig und beweglich.
    Â»Ach, einen Moment noch, verzeiht mir!« rief Rodraeg ihm hinterher und machte zwei Schritte ins Dunkel hinaus. Der Fremde blieb stehen. »Könnt Ihr mir Euren Namen nennen? Man erhält schließlich nicht oft Besuch mitten in der Nacht.«
    Â»Da lügt Ihr«, zischte der Fremde und lachte dann krächzend auf. »Aber manches kann man ja nicht wissen, geschweige denn sich merken. Ist das meine Schuld? Wohl kaum. Ich bin Raukar, einfach nur Raukar. Euren Namen brauche ich nicht, danke für die Mühe, aber ich trage ohnehin schon zuviel Gepäck mit mir herum.« Er schüttelte sich. »Hier hat ein Wolf gestunken, vor weniger als dreißig Stunden, aber auch dafür kann mich niemand zur Rechenschaft ziehen, man kann sich nicht um alles kümmern. Um alles gleichzeitig, das geht nicht. Gehabt Euch wohl denn. Lebt weiter und wagt Euch nicht zu weit hinaus.« Raukar eilte die Straße hinauf Richtung Badehaus, während Rodraeg stehen blieb. Die Dunkelheit schien nach ihm zu greifen, an der kleinen Flamme zu lecken, die er bei sich trug. Mit einem Frösteln, als sei nicht Sommer, kehrte er ins Haus zurück und lehnte sich von innen gegen die Tür. Cajin, Naenn und Hellas saßen auf den untersten Stufen und schauten ihn erwartungsvoll an.
    Â»Junge, hatte der eine Schräglage im Glockenturm«, ächzte Rodraeg. »Ich hoffe, Riban erwartete nicht allen Ernstes von uns, daß wir mit dem zusammen auf Reisen gehen.«
    Â»Ich habe ihn gar nicht kommen sehen, das wollte ich dir noch sagen«, berichtete Cajin aufgeregt. »Als es geklopft hat, war ich völlig überrascht.«
    Â»Kannst du denn die Straße von oben vollständig überblicken?«
    Â»Na ja, wenn jemand sich auf unserer Straßenseite ganz dicht an den Hauswänden hält, ist da ein toter Winkel…«
    Â»Also muß das nichts zu bedeuten haben.«
    Â»Es ist nicht neblig draußen, Rodraeg«, sagte Naenn.
    Rodraeg stutzte. Er sah Naenn eine Weile lang an, dann öffnete er die Tür noch einmal und lugte hinaus. Dunkelheit, aber nicht diese zähen Schwaden, die ihn eben umwabert hatten. Es war Wiesenmond, im Wiesenmond gab es höchstens Frühnebel. Verwirrt schloß er die Tür ein weiteres Mal.
    Â»War er das? Ein so mächtiger Magier, daß er Nebel erzeugen kann? Soll ich ihm hinterherlaufen? Vielleicht kann ich ihn noch einholen.«
    Â»Das kannst du dir wohl sparen«, verneinte Naenn ernst. »Der Nebel kam nicht von ihm, sondern von dir. Er war garantiert nicht unser Mann.«
    Alle sahen sie fragend an. Seufzend holte sie mit ihren Erklärungen weiter aus. »Es gibt Wesen, die sich verbergen können im Schatten der Aufmerksamkeit anderer. Wir nennen solche Wesen Heimlichgeher. Hätte er unseretwegen an unsere Tür geklopft, hättest du keinen Nebel wahrgenommen. Aber da er nicht unseretwegen hier war, hast du ihn nur uneindeutig wahrgenommen. Seine Stimme, seine Gestalt – alles mag in Wirklichkeit ganz anders sein als gerade eben von uns bezeugt. Er war zufällig hier, weil er die Zeichnung an der Tür interessant fand. Es ist durchaus möglich, daß er keiner von den beiden war, die Riban uns vorhergesagt hat.«
    Â»Was meinst du mit Wesen?« fragte Hellas. »War dieser Knilch kein Mensch?«
    Â»Ich denke schon.« Naenn zuckte die Schultern. »Menschen können das Heimlichgehen lernen, genau wie einige Tiere. Dieser … Mann gerade eben könnte es gelernt haben von jemand Mächtigem.«
    Â»Was meinte er damit, daß er auf der Suche ist nach jemandem mit Honig auf der Zunge oder im Haar?« fragte Cajin. »Wer soll das sein? Ein Blonder, der gut reden kann?«
    Â»Das wärst ja du«, grinste Hellas.
    Â»Quatsch«, wehrte Cajin ab.
    Â»Das mit dem Wolf finde ich noch spannender«, dachte Rodraeg laut nach. »Hier treiben sich Seltsamkeiten herum, immer kurz nach Mitternacht. Gestern ein Wolf, heute ein Heimlichgeher. Morgen sind wir schon nicht mehr hier. Hmmm. Jedenfalls glaube ich nicht, daß Riban sich verrechnet hat. Das würde ihm ja seine ganze Aura der Allwissenheit rauben. Nein,

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