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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Talkessel vor Augen. »Paß auf, daß du nicht ertrinkst«, sagte er überflüssigerweise zu Bestar, doch der zog sich nur grinsend seine Überkleidung aus. Bestar konnte gut schwimmen, das wußte Rodraeg. An ihrem Übungstag am Larnusufer hatte er die Schwimmfähigkeiten von allen getestet. Wie zu erwarten hatten Migal und Bestar am besten abgeschnitten.
    Inzwischen öffnete sich im Boden der Hütte eine kleine Luke und eine Schiffsstrickleiter wurde hinabgelassen. Danahe ergriff sie als erste und begann hinaufzuklettern, als ein Pfeil an ihr vorüberzischte.
    Â»Sie schießen mit einem Kurzbogen«, sagte Hellas gutgelaunt. »Nettes kleines Kinderspielzeug.« Er zielte einen Moment und schoß dann. Aus einem Felsen, der isoliert im Wasser stand, löste sich ein Körper, drehte sich, sackte abwärts und plumpste wie ein Sack ins unruhige Wasser. »Hoppla. Da waren’s wohl nur noch zwei. Tut mir leid, ich konnte ja nicht ahnen, daß er so einen schlechten Halt hat.«
    Â»Spielverderber«, murrte Bestar. Er zerrte sich die Schuhe von den Füßen, klaubte sich ein Messer aus seinem Rucksack, klemmte es sich zwischen die Zähne und sprang dann kopfüber ins Wasser. Ein zweiter Pfeil kam aus einer anderen Richtung, verfehlte Bestar knapp und bohrte sich schräg in die Steuerbordwand des Bootes. »Ah, da ist noch einer«, verzeichnete Hellas, der schon wieder nachgeladen hatte.
    Â»Ungemütlich hier«, befand Rodraeg, der Eljazokad an sich vorbei die Strickleiter hinaufwinkte. Danahe hatte etwas Mühe beim Aufentern, aber durch das Gewicht des unter ihr Kletternden wurde die Leiter für sie stabilisiert.
    Hellas schoß. Diesmal stürzte niemand. »Ich habe ihn entweder knapp erwischt, oder es ging knapp daneben. Er konnte sich noch zurückziehen in eine Nische. Der ist nicht ganz so ein Waschlappen wie der erste.«
    Â»War es der mit dem Helm?« fragte Rodraeg, der außer Schatten, Nacht und Wogenwirbel überhaupt nichts erkennen konnte.
    Â»Glaube nicht«, antwortete Hellas und lud abermals nach. Von Bestar war nichts mehr zu sehen. Der Klippenwälder tauchte. Rodraeg fiel ein, daß das Salzwasser an Bestars Bauchwunde höllisch brennen mußte.
    Danahes Füße verschwanden oben in der Luke, Eljazokad war auch schon mehrere Schritte hoch. Als letzter begann Rodraeg zu klettern. Ruhig. Gleichmäßig atmend. Der Anderthalbhänder baumelte an seiner Seite und schlug gegen die hölzernen Sprossen.
    Aus der Luke schlug ihm der Geruch von schwelendem Holz entgegen. Unter ihm vertäute Hellas das Boot an einer der Stelzen und ritt dabei auf dem störrischen Seegang wie auf einem bockenden Pferd. Wie konnte man nur von einem dermaßen schlingernden Boot aus schießen und treffen? Manchmal waren Rodraeg seine eigenen Männer unheimlich.
    Als er sich durch die Lukenöffnung nach oben stemmte, zog die Gezeitenfrau hinter ihm die Strickleiter ein. Sie war klein und farblos. Ihr graues Kleid roch nach Qualm, und das lag nicht daran, daß auf dem Dach brennende Fackeln lagen. Es war eher ein allgegenwärtiger, alles durchdringender Geruch hier drinnen, ein Geruch nach Schwelbrand, der zwar nicht zum Husten reizte wie echter Rauch, aber dennoch im Hals und in den Augen kratzte.
    Die Hütte enthielt kaum Mobiliar. Ein Bett aus übereinandergelegten Matten, eine patina-überzogene Kommode, eine winzige Feuerstelle, ein Bord mit Büchern, ein Reusenkorb voller Holzteller und -besteck, ein dreibeiniger Schemel und ein Wandbehang aus Muschelschalen. Einen Tisch gab es nicht, und zu viert traten sie sich jetzt schon beinahe peinlich auf die Füße.
    Â»Es ist seltsam, daß ihr jetzt kommt«, krächzte die Gastgeberin, die siebzig, neunzig oder auch zweihundert Jahre alt sein mochte. Langes, wirr filziges Haar von taubengrauer Farbe verhüllte den Großteil ihres Gesichtes, so daß beinahe nur runzlige Wangen und ein von Falten umfurchter Mund zu sehen waren. »Seltsam, aber von eigenartiger Folgerichtigkeit. Folge ich richtig? Folgt ihr mir zu Recht? Du solltest dich unbedingt hüten, denn das Stadtschiff nähert sich mit hoher Bugwelle, hoher Geschwindigkeit, hohem Hunger. Wenn sie dich ansprechen, sag ihnen deinen Namen nicht. Der wahre Name ist von großer Macht. Denk dir einen anderen aus, und wenn dieser andere nicht auf ihrer Liste steht, lassen sie dich vielleicht

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