Die letzten Worte des Wolfs
aus.« Sie sprach Eljazokad gar nicht direkt an, sondern schob sich suchend an allen vorbei im runden Raum herum, aber Eljazokad nickte dennoch wie ein artiger Schüler und wechselte ratlose Blicke mit Rodraeg.
»Zwei unserer Freunde kümmern sich unten um die Angreifer«, begann Rodraeg. Er wollte überleiten zum eigentlichen Grund ihres Hierseins in Wandry, doch die Alte unterbrach ihn.
»Die Angreifer, ja. Drei verlorene Gestalten. Nichts stimmt mit ihnen. Etwas anderes verbirgt sich in den Schatten, aber ich kann nicht klar genug sehen, die Gewässer sind miteinander vermengt, zu viele Neuankömmlinge auf einmal sollen mich abhalten vom Sehen und Begreifen.«
»Ãhhhh«, stammelte Rodraeg, »wir sind nicht hier, um Euch zu verwirren. Aber wir könnten Eure Hilfe gebrauchen bei dem Problem, das uns zur Küste führte.«
»Problem?« krächzte sie. Es war nicht zu erkennen, ob sie wütend war oder einfach nur aufgeregt, aber ihre offensichtliche Nervosität übertrug sich auch auf Rodraeg. »Was ist ein Problem? Eine Frage, die nicht gestellt wurde? Die nicht gehört wurde? Die absichtlich nicht beantwortet wurde? Du bist Ribans Zögling, nicht wahr? Du trägst sein Zeichen in der Brust.«
»Was?« Rodraeg konnte jetzt nichts anderes mehr tun, als mit offenem Mund dazustehen. »Was?« Der kleine Raum begann sich zu drehen, ein Kreisel auf der Spitze einer Nadel, dann, exzentrisch: dreier Nadeln. Ribans Zeichen in der Brust?
»Ich erkenne seine Handschrift überall«, krähte die Alte. »Aber du darfst ihn nicht miÃverstehen. Er meint es gut, nur manchmal halt zu gut. Bei Gelegenheit muÃt du mir erzählen, wie es dazu gekommen ist, aber diese Gelegenheit ist, fürchte ich, nicht jetzt. Wenn ich mich nur besinnen könnte? Drei Kinder sind es jetzt, mein Mädchen?«
»Schon lange«, lächelte Danahe nachsichtig. »Auch mein Jüngster ist schon erwachsen.«
»Und sieht sich nach den Weibern um, nicht wahr? Ja, so sind sie, so sind sie alle. Diese Dreistigkeit. Wie sie versuchen, mich mit meinen eigenen Waffen zu schlagen! Ich hoffe, ihr könnt alle gut schwimmen. Wo ist es denn nur? Wo ist es?« Sie fuchtelte jetzt an ihrem Bücherbord herum, während die anderen sich fragend ansahen. »Ah, hier. Das ist es wert, gerettet zu werden. Hier, nimm es.«
Sie drückte Rodraeg ein Buch in die Hand, ein uralt aussehendes speckiges Druckwerk. Rodraeg, der ohnehin im Moment von der ganzen Situation ziemlich überfordert war, betrachtete den Einband. Der Wal und andere Begegnungen. Von einem Irregeher. Das Buch war dick und wertvoll. Er schlug es auf: über siebenhundert Seiten, gedruckt in einer Zeit, als Druckwerke nur ganz wenigen Wohlhabenden zugänglich waren.
»Packt es gut ein, so wasserdicht wie möglich. In euren Rucksack, hurtig!«
»Ich soll es ⦠für Euch aufbewahren?«
»Geschenkt habe ich es dir, aber wenn du es nicht schnell verpackst, wirst du wenig Freude daran haben. Hier, ein Stück Ãltuch. Wickle es ein wie einen gefangenen Fisch, so ist es recht.«
»Was ist das für ein Geräusch?« fragte Eljazokad.
Danahe hielt sich an der Kommode fest, aus der die Gezeitenfrau gerade das Stück Ãltuch für Rodraeg gezaubert hatte. »Das Wasser ⦠flieht von unterhalb der Hütte ⦠wird weggerissen wie ein Tischtuch â¦Â«, stotterte sie.
Unten fing Hellas an zu schreien. Er schrie keine Worte. Er schrie unartikuliert vor Angst und Entsetzen.
Die Gezeitenfrau breitete die Arme aus und lachte ein keckerndes Lachen. »Das, meine Kinderchen â ist die Rache des kleinen Krabbensammlers!«
Dann ging die Welt unter.
14
Chaos und Flut
Bestar sah etwas in den Klippen glänzen, einen matten Widerschein der Mondsichel auf Metall. Er merkte sich die Richtung, tauchte wieder ab, zwischen scharfkantigen Riffen hindurch und auf verschlungenen Pfaden näher an die Küste heran. Hier vorne hatte er das Gefühl, daà ihm das Wasser entgegenströmte, vom Land weg ins Meer hinaus, weshalb er nur langsam vorankam, aber dennoch gelang es ihm, sich von einem unter Wasser liegenden Felsen abzustoÃen und sich so weit aus den Fluten zu schnellen, daà er mit den Händen eine Felskante greifen und sich hinaufziehen konnte. Drei oder vier Schritte über ihm bewegte sich jemand, versuchte, in den Schatten seine Position
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