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Die leuchtende Stadt

Titel: Die leuchtende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. Carver
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aufstiegen. Hätte hingegen ein Mensch versucht, es ihnen nachzutun und Druckunterschiede ohne Dekompressionsphasen zu überwinden – ohne wie er, Bandicut, auf dem Weltenschiff ›normalisiert‹ worden zu sein und ohne die Hilfe der Steine –, dann wäre dieser Mensch unter schrecklichen Schmerzen gestorben. Denn in seinem Körper hätten sich Gasblasen aus dem Stickstoff gebildet, der sich durch den erhöhten Druck in Blut und Gewebe gelöst hatte; Gasembolien, Gelenkschmerzen, Lähmungen und schließlich Atemlähmung wären die tödlichen Folgen gewesen. Bandicut vermutete, dass die Festländer hier ebenso verwundbar waren wie seine eigene Spezies. Denn die Notwendigkeit zur Dekompression war eine Frage grundlegender physikalischer Eigenschaften gasförmiger Stoffe, und deshalb konnten nur hochgradig an die Umgebung angepasste Organismen – wie beispielsweise die Neri – dieses Problem umgehen.
    L’Kell steuerte das Tauchboot auf eine lange, sich dunkel am Rumpf des Wracks abzeichnende Spalte zu. Das havarierte Schiff war gerade eben erst vor ihnen aufgetaucht, und zum ersten Mal konnte Bandicut sehen, wie Muscheln, Algen, und Korallen das Wrack mit einer Kruste überzogen hatten. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können – und hätte fast einen Herzinfarkt vor Schreck bekommen, als urplötzlich drei Festländer aus der Spalte im Wrack herausstoben, verfolgt von Neri-Schwimmern. Zwei der Festländer entkamen an die Oberfläche, den dritten traf eine Harpune in den Unterleib: Er sank, sich vor Schmerzen krümmend, in die Tiefe des Ozeans hinab. Bandicut schauderte es, während der sterbende Festländer und die ihn verfolgenden Neri aus seinem Sichtfeld gerieten. Er hatte nicht einmal einen längeren Blick auf den Festländer werfen können; das brauchte er jedoch auch nicht, um dessen Todesangst nachempfinden zu können.
    »Diese Art … Krankheit«, sagte L’Kell, ohne auf das einzugehen, was sie gerade gesehen hatten, »ist sie der Grund dafür, dass die Festländer nicht zurückkommen?«
    Bandicut brummte zustimmend. »Wenn es so ist, wie ich vermute, dann können sie nur für einen sehr begrenzten Zeitraum in dieser Wassertiefe bleiben. Ansonsten tragen sie Gesundheitsschäden davon oder sterben, wenn sie wieder an die Oberfläche zurückkehren. Sie tauchen wahrscheinlich nur stückchenweise auf und bleiben momentan auf einer mittleren Wassertiefe …«
    »… um dann wieder zurückzukommen?!«, grollte L’Kell. »Dann sollten wir ihnen hinterherjagen!«
    »Nein!«, lehnte Bandicut ab und schüttelte demonstrativ den Kopf. Er wollte kein Blutbad auf dem Gewissen haben. »Ich glaube, sie tauchen ganz langsam auf, halten auf ihrem Weg nach oben Dekompressionsphasen ein. Wenn ich Recht habe, dann können sie gar nicht zurückkommen – jedenfalls nicht sofort, möglicherweise nicht einmal mehr heute. Aber sie könnten natürlich andere Taucher einsetzen.«
    L’Kell brummelte in sich hinein. »Dann sollten wir Wachen aufstellen, solange wir das Wrack untersuchen. Aber ich hoffe, du hast Recht, John Bandicut.«
    Das hoffe ich auch, dachte Bandicut bei sich.
    Als L’Kell das Tauchboot in den aufgerissenen Rumpf des Schiffswracks steuerte, deutete er gleich auf ein anderes Boot der Neri, das sich in den Schatten des havarierten Schiffes verlor. Es war ganz offensichtlich mit der inneren Rumpfkonstruktion eines Frachtraums kollidiert. »Das ist das Boot von S’Cali. Und sieh doch!« Aufgeregt deutete L’Kell auf die Nase des Bootes.
    Bandicut konnte nicht viel erkennen. Das Tauchboot sah nicht beschädigt aus. Aber in seinem Inneren gab es keinen Lichtschein, wie er es von den Neri-Wasserfahrzeugen bisher gewohnt war. Nichts regte sich in dem Boot, aber … Moment mal, was war denn das? War es geflutet? Ja, genau, da hatte sich eine Luftkammer gebildet, dort, an der Oberseite der Sichtkanzel. Bandicut ächzte laut und versuchte, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. »Haben die Festländer das Boot angegriffen?«, fragte er und ließ seine wahren Befürchtungen unausgesprochen, nämlich dass Ik dort im Innern des Tauchbootes trieb, ertrunken. Und wenn dem nicht so war, wo war Ik dann?
    L’Kell sprach über Com mit einigen der Neri-Schwimmer, die aus dem Schatten aufgetaucht waren, dann berichtete er: »Dein Freund ist am Leben und befindet sich im Innern des Wracks.«
    Geräuschvoll atmete Bandicut aus. »Ist er in Ordnung?«
    »Ich weiß nicht, in welcher Verfassung er ist«,

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