Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

steckte ein Pfeil. Den Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen… Er umklammerte meinen Arm mit erstaunlicher Kraft und seine Lippen bewegten sich, als wollte er etwas sagen. Das alles dauerte nur wenige Sekunden, dann spürte ich einen heftigen Schmerz und dann nichts mehr. Zum Glück waren andere nicht so gedankenlos wie ich, sonst würde ich vermutlich nicht mehr leben und Forest auch nicht.“
    „ Du gehst mit dir selbst zu hart ins Gericht“, meinte Crystal. „Auch wenn dein Verhalten strategisch vielleicht nicht das Best war, so war es doch moralisch Richtig und darauf kommt es an.“
    „ Manchmal kommt es auf das Ergebnis an, Baronin, und der Weg zählt nicht. Glaubt mir“, damit wandte er sich ab und sie setzten ihren Weg fort.
    Crystal hielt ihren Blick auf seinen Rücken gerichtet und dachte über seine Worte nach. Rechtfertigte das Ziel die Mittel? Tief in sich hörte sie die Antwort. Klar und deutlich. Nein.
     

    „ Ich kann nicht mehr.“ Dawn blieb stehen, beugte sich nach vorne und stützte die Hände auf die Oberschenkel. Ihre Lungen protestierten gegen jeden Atemzug und in ihren Augen brannte der Schweiß, der ihr übers Gesicht lief. Ein Blick auf die Anderen zeigte ihr, dass es ihnen nicht viel besser erging. Corus Augen wirkten glasig wie damals als er vor ein paar Sommern Fieber gehabt hatte und sie tagelang nicht wussten, ob er wieder genesen würde. Nein, selbst wenn sie noch könnte, sie würde nicht weiter gehen und seine Gesundheit aufs Spiel setzen.
    „ Eine kurze Pause würde vermutlich nicht Schaden“, gestand Lucthen. „Doch ich muss gestehen, dass mir der Gedanke hier auf den Inseln zu übernachten noch weniger gefällt, als eine weitere Nacht auf See zu verbringen. Wir sollten uns also nicht allzu viel Zeit lassen.“
    „ Warum schleppst du eigentlich all das Grünzeug mit?“, fragte Corus an Thistle gewandt. Dawn warf dem Jäger einen amüsierten Blick zu. Von seinem Gürtel baumelten Blätter und Äste und er hielt giftig aussehende Beeren in Händen und Blüten die größer waren, als alle Blüten die sie je gesehen hatte.
    Thistle zuckte mit den Schultern. „Ich will einfach wissen, was das für Pflanzen sind und warum sie ausgerechnet hier wachsen und nicht in den Auen.“
    „ Ich frage mich eher, woher die Steine stammen, die zum Bau der Brücke verwendet wurden und wie alt sie ist?“, meinte Lucthen.
    „ Und ich frage mich, ob unsere Wasservorräte reichen werden“, meinte Corus und hielt einen nur mehr zur Hälfte gefüllten Wasserschlauch in die Höhe. „Durch die Hitze verbrauchen wir viel mehr Wasser, als wir dachten.“
    Lucthen nickte. „Wir müssen sorgsamer damit umgehen.“
    Dawn schluckte. Allein die Aussicht mit dem Wasser haushalten zu müssen bewirkte, dass sich ihre Kehle wie ausgetrocknet anfühlte. „Ich wollte ja bisher nicht fragen, weil es sonst nur wieder geheißen hätte: Du musst ja nicht mitkommen und eigentlich hast du ohnehin keinen Grund dafür“, meinte Dawn mit einem gehässigen Blick in die Richtung in der Lucthen saß, „aber ich frage mich dann doch, warum wir ausgerechnet diese Harfe in die Sümpfe bringen müssen. Ich meine, Crystal wirkt mit ihrer Stimme Magie. Hat sie das nicht bewiesen, als sie Corus zurückgeholt hat? Wozu braucht sie dann diese Harfe, wenn’s ihre alte auch tun würde?“
    „ Liisatiinas Prophezeiung spricht von der Harfe der Inseln“, meinte Lucthen. „Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, doch Prophezeiungen geschehen so wie sie geschehen müssen, oder gar nicht.“
    Corus drückte Dawns Hand bevor sie zu einer Entgegnung ansetzen konnte und sie beschränkte sich darauf ihn böse anzufunkeln. „Also schön. Ihr habt Recht“, meinte sie schließlich. „Ich verstehe wirklich nichts von Prophezeiungen. Woher kommt dieses Wissen von der Zukunft?“ Lucthen wirkte nicht besonders glücklich über ihre Frage. Vermutlich kannte er die Antwort selbst nicht, dachte sie.
    „ Man sagt dass die Elfen die Fähigkeit haben in die Weisheit Lucis selbst einzutauchen und dort Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geschrieben stehen. Anscheinend haben einige Halbelfen diese Fähigkeit geerbt.“
    „ Ihr meint, Liisatiina weiß alles?“
    „ Ein Teil kann nie das Ganze verstehen, nicht vollständig zumindest. Es sind nur kurze Eindrücke, die einem gewährt werden und die wir Prophezeiungen nennen. Die Zukunft besteht aus unendlich vielen Möglichkeiten, doch die eine, die uns gezeigt wurde, ist