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Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Titel: Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smila Spielmann
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Schlank und gebogen, etwas größer als ihre alte Harfe. Dann sah sie, dass sie sich getäuscht hatte. In den Korpus war doch eine Verzierung eingearbeitet. Ein Muster, wie ein Knoten aus weißen und schwarzen Linien. An irgendetwas erinnerte sie dieses Muster, sie hatte es schon einmal gesehen. Doch sie wusste nicht mit Sicherheit zu sagen, wo das gewesen sein sollte. Hatte sie es in ihren Träumen gesehen? Ihre zitternden Finger berührten die Saiten, die sich kalt und glatt anfühlten. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie würde diesem Instrument Töne entlocken, Lieder, wie es sie nie zuvor gegeben hatte. Plötzlich wurde ihr schwarz vor Augen und sie blinzelte kurz. Als sie die Augen wieder öffnete war der Hof verschwunden. Im ersten Moment sah sie nur die Harfe. Lange, schlanke Finger hielten sie. Wo war sie? Das waren nicht ihre Hände. Sie blickte auf und sah das Gesicht eines Mannes vor sich. Er hatte die Augen geschlossen, hielt sein Gesicht dem Wind entgegen, der ihm das schwarze Haar aus der Stirn blies. Crystal machte einen Schritt zurück und sah den Mann aus größerer Entfernung. Seine Beine steckten in schwarzen Hosen, sein Hemd war weiß und bis zur Taille geöffnet. Er stand auf einem Hügel. In seinem Rücken versank die Sonne gerade hinter dem Horizont. Er hielt die Harfe, wie man eine Geliebte hält und plötzlich hörte sie das Schreien von Männern, das Klirren von Waffen und erschrocken wandte sie sich um. Am Fuße des Hügels kämpften Männer. Hunderte, nein Tausende. Manche saßen auf Pferden, andere kämpften zu Fuß. Was ging hier vor? In Panik wandte sich Crystal zu dem Mann, der ihre Harfe hielt. Sie wollte Antworten. Er hatte seine Augen geöffnet und als Crystal den harten Glanz der tiefschwarzen Augen gewahrte, blieben ihr die Worte im Hals stecken. Von ihm würde sie keine Antworten erhalten, begriff sie. Dann begann er zu spielen. Der erste Ton zwang sie in die Knie. Nie, nie in ihrem ganzen Leben hatte sie etwas Vergleichbares gehört. Wie konnte ein einzelner Ton so viel Hoffnungslosigkeit enthalten, so viel Schmerz? Crystal wollte die Fäuste auf die Ohren pressen, doch entsetzt merkte sie, dass sie sich nicht bewegen konnte. Sie war seinem Lied schutzlos ausgeliefert. Der Wind drehte, wehte dem Harfner das lange Haar ins Gesicht, trug sein Lied den Hügel hinab und der Kampflärm erstarb einen Moment lang. Schmerzensschreie und Triumphgeheul drangen an ihre Ohren. Krampfhaft rang sie um Atem. Er sollte aufhören, nur aufhören. Sie verstand nicht, was hier vor sich ging. Crystal schloss die Augen um das schreckliche Antlitz des Mannes nicht mehr sehen zu müssen, doch aus der Dunkelheit stiegen die Bilder des Schlachtfeldes zu ihr empor. Männer, die sich in Schmerzen wanden und die ihre Waffen achtlos hatten fallen lassen und Andere mit siegessicherem Lächeln auf den Lippen, die durch die Reihen schritten und die wehrlosen Männer abschlachteten. Einen nach dem Anderen. So viel Blut!
     

    Thistle trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Crystal stand wie erstarrt bei der Harfe. Lucthen hatte sie gerufen, doch sie hatte nicht reagiert. Sollten sie zu ihr gehen? Plötzlich sackte Crystal wie leblos zusammen und riss die Harfe mit sich. Thistle keuchte erschrocken auf. Mit ein paar schnellen Schritten waren sie bei ihr. Lucthen löste Crystals verkrampfte Finger von den Saiten und Thistle zog seinen Wasserschlauch hervor. Crystals Lider flatterten als Lucthen sie schüttelte, doch sie wachte nicht auf. Thistle spritzte ihr Wasser ins Gesicht und endlich öffnete sie die Augen. Dem Licht sein Dank!
    „ Was ist passiert?“ Dawns Stimme klang schrill vor Sorge, als sie sich über Crystal beugte und ihre Freundin bestürzt musterte.
    Crystal schluckte ein paar Mal krampfhaft. Ihr Blick flog erschocken von Einem zum Anderen. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht. Da war auf einmal ein Mann, der die Harfe hatte. Er hat gespielt, es war entsetzlich.“
    Thistle sah, wie Dawn scharf Luft holte, ihre Augen sich entsetzt weiteten. Sie öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, doch dann schloss sie ihn wieder. Sie weiß etwas darüber, dachte er. Sie wirkte wie Lobelia, wenn diese etwas angestellt hatte und Angst hatte es ihrer Mutter zu gestehen. Thistle wollte sie eben fragen, was sie hatte sagen wollen, als Crystal zu weinen begann und er auf Dawn und ihr seltsames Verhalten vergaß. Er zog Crystal in seine Arme, hielt sie und wiegte sie hin und her.

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