Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
leid“, meinte Crystal. „Ich hab nicht darüber nachgedacht. Ich…“
Dawn seufzte melodramatisch. „Schon gut. Wir werden schon wieder hinaus finden. Nehme ich an.“
Lucthen entschied sich schließlich völlig willkürlich für eine Richtung und sie folgten ihm. An jeder Abzweigung hinterließen sie Zeichen um nicht im Kreis zu laufen. Corus murmelte irgendetwas über die Sinnlosigkeit solcher Zeichen, verstummte jedoch, als der strenge Blick des Magus auf ihn fiel.
Als die Nacht hereinbrach entzündeten sie ihre Fackeln. Ihre Schatten bildeten ein eigenartiges Muster auf den hellen Steinen und die Stille die sich über sie legte war so tief, das Thistle seinen Atem hören konnte und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Seine Füße waren vom ungewohnten Gehen auf Steinboden müde und er wünschte sich, dass sie endlich die breite Doppelflügeltür erreichen würden, die sie zu der Säulenhalle führen würde. Manchmal hörte er ein Geräusch, wie das Brummen eines Bären, nur tiefer, weiter. Als wären sie im Magen eines riesigen Tieres. Er fragte sich, ob die Anderen es auch hörten, doch er wollte sie nicht beunruhigen und so sagte er lieber nichts.
Lucthen trug die Harfe vorsichtig in seinen Händen wie ein rohes Ei. Was es mit den Bildern auf sich hatte, die Crystal zu sehen geglaubt hatte, wusste er nicht. Doch er stellte Liisatiinas Prophezeiung nicht in Frage. Obwohl die Sonne schon vor einiger Zeit unter gegangen war, war es immer noch fast unerträglich heiß. Crystal ging neben ihm. Immer wieder wandte sie sich um, als würde sie sich vor ihrem Schatten fürchten und Lucthen wünschte sich, dass sie alleine wären und er vernünftig mit ihr reden könnte. Der Schreck stand ihr noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben. Lucthen konnte ihre Unsicherheit gut verstehen, fühlte er sich doch selbst alles andere als zuversichtlich. Er lächelte ihr aufmunternd zu und schritt schneller voran. Wenn er jetzt auch noch verzagte, wäre da niemand mehr, der sie führte. Thistle vielleicht. Doch von allen Menschen auf der Welt, verließ er sich am Liebsten nur auf sich selbst. Der Gedanke schwach zu sein und auf die Hilfe von irgendjemand angewiesen zu sein, beunruhigte ihn. Doch warum musste es hier so unerträglich heiß sein? Lucthen konzentrierte sich, dann fuhr er mit der Hand nach oben und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Das sie sich verirrt hatten, stand für ihn außer Frage. Der Hinweg war ganz bestimmt nicht so lang gewesen. An diesen Gang zum Beispiel, der einfach nur gerade aus führte und immer länger zu werden schien, je weiter sie gingen, konnte er sich nicht erinnern. Er gab es nur ungern zu, doch Dawn hatte Recht. Sie hätten wirklich Zeichen hinterlassen sollen, dann hätten sie schon vor Stunden das Gebäude verlassen können. Immer wieder lief ein leichtes Beben durch die Mauern, als würde die Erde selbst erzittern. Die Fackeln würden auch nicht mehr lange halten. Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie einfach hier schlafen würden und morgen Früh nach einem Weg suchten. Lucthen griff nach seinem Wasserschlauch und wog ihn in seiner Hand. Wenn sie nicht verdursten wollten, sollten sie entweder ganz schnell Wasser finden, oder dazuschauen, dass sie möglichst rasch von hier fort kamen. Als Lucthen ein Stück roten Stoff erspähte, der vor ihm auf dem Boden lag, blieb er ruckartig stehen. „Hier waren wir schon.“
Lucthen konnte seine eigene Enttäuschung auf den Gesichtern seiner Begleiter sehen. Wie lange sie wohl im Kreis gegangen waren? Lucthen spürte wie eine Welle voll Verzweiflung über ihm zusammenschwappte wie ein Guss eiskalten Wassers, doch er ließ sich nicht in die Knie zwingen, nahm diesmal die andere Abzweigung und zwang sich weiter zu gehen. Dawn hatte vor einiger Zeit aufgehört zu Jammern. Vermutlich war sie zu müde um ständig neue Beschwerden zu erfinden, dachte Lucthen und war im Stillen froh darüber.
„ Endlich.“ Crystals Stimme war wie ein Hauch und Lucthen blickte sie überrascht an. Sie starrte auf etwas vor ihnen und als Lucthen ihrem Blick folgte, sah er, dass sie an ihrem Ziel angelangt waren. Er hatte es gar nicht gemerkt, so sehr war er mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen. Zum ersten Mal seit Stunden wirkte Crystals Gesichtsausdruck nicht mehr gehetzt und Lucthen merkte, wie er sich entspannte. Gemeinsam schritten sie in die Nacht hinaus. Als sie den offenen Platz erreichten merkte er, dass es im Freien noch um
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