Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
wunderbarer Ort. Wir haben so viel Blödsinn angestellt… Dann eines Tages gab es einen schrecklichen Unfall. Wir waren an einem See und kletterten auf Bäume, um uns dann ins Wasser fallen zu lassen. Wir haben viel gelacht, doch dann… Micel sprang ins Wasser und ich dachte, er will mich erschrecken, weil er nicht mehr aufgetaucht ist. Er war immer länger unter Wasser und ich wurde unruhig. Ich sprang in den See und dort fand ich ihn. Er hatte eine Wunde am Kopf. Da war so viel Blut und er atmete nicht mehr.“ Corus’ tränenerstickte Stimme wurde immer leiser und Crystals Herz zog sich zusammen. Sie wusste, wie es sich anfühlte einen geliebten Menschen zu verlieren. „Ich habe ihn ans Ufer geschleppt und bin neben ihm gesessen, bis es dunkel wurde. In meinem Kopf war alles ganz durcheinander. Ich wusste nur eins: ich kann ohne ihn nicht weitermachen. Schließlich zog ich mich an und ging zur Akademie zurück. Ich sagte niemandem was passiert war, sondern ging zur Bibliothek und machte mich auf die Suche nach einem ganz bestimmten Buch. Micel und ich hatten es irgendwann zufällig entdeckt, als ein Magus vergessen hatte, es zurückzustellen. Ein Buch über die Magie der Dunklen.“ Lucthen sog scharf den Atem ein und fixierte Corus mit noch grimmigerem Blick. Corus reckte trotzig die Schultern. „Ich konnte ihn nicht verlieren, ich konnte es nicht! Also habe ich seinen Körper nachts heimlich in die Akademie gebracht um… um ihn wieder zu beleben. Es war riskant. Ich wusste nicht, ob die Gesten funktionieren würden und ich wusste, dass diese Art von Magie weit über meine Kräfte ging und dennoch wollte ich es versuchen. Sobald ich angefangen hatte, wurde es plötzlich dunkel. Die Kerzen brannten noch, doch sie verdichteten nur die Schatten und es wurde kalt und immer kälter. Es wurde immer schwieriger die Gesten auszuführen, doch ich war so fest entschlossen, dass ich weitermachte, bis irgendwann die Tür aufflog und jemand meine Hände gewaltsam festhielt. Ich hatte mit meinem Zauber sämtliche Magi der Akademie geweckt und alle standen um mich herum und sahen mich betroffen an. In dem Moment begriff ich nur, dass ich versagt hatte, dass es mir nicht gelungen war Micel zurückzuholen. Am nächsten Tag wurde entschieden, dass ich die Akademie zu verlassen hatte. Ich war immer noch wie betäubt; ich wusste nicht wohin. Nach Hause konnte ich nicht. Ich konnte meinen Eltern nicht sagen, wie sehr ich sie enttäuscht hatte. Letztendlich landete ich bei den Gauklern.“ Corus barg sein Gesicht in den Händen und krümmte sich wie unter Schmerzen. Dawn legte ihm die Arme um die Schultern und redete beruhigend auf ihn ein. Crystal stand unter Schock. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich vor der Dunkelheit gefürchtet. Tenebris war tot, die Dunklen vom Antlitz der Erde verschwunden, die Welt war licht. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass sich ein Mensch von der Dunkelheit verführen lassen konnte, dass die Dunkelheit selbst jetzt noch, nach so langer Zeit, ihre Schatten warf. Doch dann dachte sie an die Mörder ihrer Familie und begriff, dass sie schon einmal der Dunkelheit begegnet war.
Der Magus saß scheinbar ungerührt auf seinem Platz, doch in seinem Inneren tobte ein Sturm. Die Tragweite dessen, was der Junge versucht hatte, konnte nicht einmal er vollständig begreifen. Beim Licht! Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass es Elfenzauber gab, die so gut erhalten waren, als dass man sie rekonstruieren konnte. Wie unverantwortlich von den grauen Magi Bücher mit solchem Inhalt einfach herumliegen zu lassen! Es gab in der Geschichte nur eine handvoll Berichte über Menschen, die sich in der Magie der Dunklen versucht hatten und sie alle endeten mit gewaltsamem Tod. Ein normaler Mann würde vermutlich nie auf die Idee kommen, die Dunkelheit um Hilfe zu bitten – zu einem toten Gott zu beten. Doch die Magi wussten, dass obwohl Tenebris und seine Kreaturen tot waren, seine Magie nicht gestorben war. Sie war Teil der Erde und der Luft und wenn man nur wollte, konnte man an diesem dunklen Netz genauso rühren wie an Lucis’ lichtem. Durch die jahrtausendelange Herrschaft des Lichts war das dunkle Netz verblasst, doch verschwinden würde es vermutlich nie. Lucthen blickte auf den Jungen, der mittlerweile laut schluchzte. Er hatte kein Mitleid mit ihm. Wer dumm genug war so etwas zu versuchen, hatte das Recht verwirkt an einer Akademie zu studieren. Dawn hielt ihren Freund in den Armen
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