Die Lichtermagd
aus. Ihr ausgestreckter Finger wies unmissverständlich auf die aufgedeckte Brust des Mönchs. Und tatsächlich – dort fanden sich rote Male, die merkwürdige Formen aufwiesen. Sofort sprangen die Umstehenden zurück, als seien sie vom Hafer gestochen. »Die Pest!« Seifert lief zu seinem Karren zurück. Adam blieb in einiger Entfernung stehen, bleich wie ein Leichentuch, den Blick fest auf den Kranken geheftet. Die Mutter aus Böhmen aber begann zu lamentieren, zunächst in ihrer Landessprache, und schließlich, nachdem sie erkannte, dass kaum jemand ihre Warnungen verstand, in fränkischer Mundart. »Sie war es! Sie hat den Schwarzen Tod zu uns gebracht! Oh weh, oh weh! Mein Junge ist krank, seit wir den Juden begegnet sind, und kaum ist sie wieder bei uns, ergreift es auch den Frater. Sie hat uns vergiftet!« Sie stach mit dem anklagenden Zeigefinger in die Luft, als wolle sie Luzinde aufspießen.
»Ich – aber«, stotterte Luzinde, »es ist doch noch gar nicht sicher, ob es der Schwarze Tod ist, es kann doch auch -«, aber niemand hörte ihr zu. Seifert gab seinen Zugtieren die Peitsche. Von Adam fiel die Starre ab, und er lief einen Gutteil Weges hinter dem Gefährt her, bevor es ihm gelang, sich hinaufzuschwingen. Die böhmische Familie spornte unter großem Wehgeschrei ihre Tiere ebenfalls an. Und Ritter Wenzel stand in der Mitte und versuchte, auf die Leute einzureden und sie in ihrer Sprache zu beruhigen, doch ohne Erfolg. Schließlich blieben nur Luzinde und er bei dem Kranken zurück.
»Herr Wenzel«, bat sie dann, »wir müssen ihn hier wegbringen, sonst verbrennt er uns von innen! Wir müssen das Fieber senken! Vielleicht gibt es in der Nähe -«
Der Ritter sah die Magd in großer Erregung an. »Hat sie Recht? Warst du das?«, fragte er. Luzinde schüttelte den Kopf. »Nein, so etwas würde ich niemals tun.«
Wenzel nickte. »Kümmere dich um ihn. Sieh zu, dass er am Leben bleibt.« Dann schwang er sich auf sein Pferd und galoppierte davon, den anderen hinterher.
Damit blieb Luzinde mit dem armen Mönch allein.Verzweifelt sah sie sich um.Wenzel hatte vor etwa einer Stunde gesagt, dass sie Horowitz kurz nach Sonnenuntergang erreichen würden, es konnte also nicht mehr weit sein. Ein Blick auf den Kranken zeigte jedoch, dass er kaum in der Lage sein würde, mehr als ein paar Schritte zu gehen. Doch jeder Augenblick, den er fiebernd hier auf dem frostkalten Boden lag, minderte seine Kräfte, dessen war sie sicher. Der Mann begann schon zu husten und nach Luft zu ringen.
»Salbei«, murmelte Luzinde. Sie brauchte ein Feuer, ein Gefäß, Decken oder Stroh und am besten ein paar erhitzte Steine, mit denen man ihn wärmen konnte.
Luzinde schulterte ihr Gepäck, zog die Kleidung des Mönchs wieder so weit zusammen, dass er nicht frieren musste; sie legte ihm sogar Gottschalks Pelzmantel über, um ihn warm zu halten. Dann zog sie ihn hoch und schob ihm den Arm unter die Schulter. Der Mann war zwar kein Fass, für sie aber schwer genug. Mit allen Kräften hielt sie ihn zunächst wankend aufrecht. Sie tat probeweise einen Schritt, dann den nächsten, und schließlich wieder einen. Glücklicherweise bewegte der Mönch wenigstens seine Beine mit. So schleppte sie ihn voran, den Weg hinunter.
Selten hatte Luzinde solche Anstrengungen leisten müssen. Sie trug den Mönch mehr als seine eigenen Beine. Mehrmals setzte sie ihn ab, um den Rücken durchzustrecken und Luft zu schöpfen. Sie kam nur quälend langsam voran, und die Sonne verschwand bald hinter dem Oberpfälzer Wald. Das machte die Kälte noch beißender, doch Luzinde spürte sie wegen der Anstrengung kaum. An einer Weggabelung hielt die Magd inne.
Es gab keinen Wegweiser, der ihr verraten hätte, in welche Richtung Horowitz lag. Sie vermutete, es wäre wohl der befahrenere, und so folgte sie dem von Wagenrädern tiefer ausgehöhlten Weg.
Erst zwei schweißtreibende Meilen später erkannte sie ihren Irrtum, als sie an einer abgelegenen Scheune anlangte. Die Spuren stammten wohl eher von schwer beladenen Bauernkarren. Sie sah kein Licht und kein Wohngebäude, und so setzte sie den Mönch ab, machte sich an dem Riegel zu schaffen und betrat den Speicher. Sie hatte Glück. Die Hauptkammer enthielt Strohgarben und Säcke mit Getreide. Ein daran angebauter winddichter Verschlag bargWerkzeug, Decken und eine gesicherte Schmiedestelle.
Mit letzter Kraft schleifte Luzinde den schweren Mann in die Schmiede.Während sie nach Luft rang und der Schweiß
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