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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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machte er große Augen und betrachtete den Schneider von Kopf bis Fuß. »Bist du in einen Geldtopf gefallen? Du siehst ja aus wie ein Edelmann!«
    »Ich kann behaupten, dass es mir gut geht«, meinte Romer selbstgefällig. Er winkte Richtung Ausschank und hielt drei Finger in die Luft, um neue Bierkrüge zu ordern. »Zur Feier des Tages lade ich ein.« Tatsächlich war es ihm eine helle Freude gewesen, bei einem alten Konkurrenten eine moderne französische Tunika aus grün-blau bedrucktem Samt mit geschnürten Ärmeln und Strümpfen in mi-parti anfertigen zu lassen – einer blau, der andere grün. Zu all dem noch eine blaue Gugel und ein feiner blau-goldener Hut, und er wirkte wie ein reicher Herr aus fremden Landen. Natürlich hatte er sich das Gewand
fachmännisch vorgenommen und jeden Fehler beheben lassen, den er finden konnte – die Schneider hier wussten einfach nicht mehr, was solide Nürnberger Handarbeit war!
    »Ich dachte, du wärst längst in Roth oder Regensburg, oder gar am Rhein irgendwo, um Arbeit zu suchen«, meinte Caspar.
    »Näh«, machte Romer und nahm die Krüge in Empfang. »Das geht auf mich.« Man prostete einander zu, dann herrschte Schweigen am Tisch, als man nur das Glucksen aus den Kehlen der Männer hörte. »Ahh! Das war gut!«, ächzte der Schneider. »Ich war in Regensburg«, fuhr er dann fort. »Aber die Regensburger wissen gute Arbeit nicht zu schätzen.« Er verschwieg, dass der Regensburger Bischof seine Judenhetze ebenso wenig geduldet hatte wie der Rat von Nürnberg und ihn schließlich aus der Stadt hatte weisen lassen.
    »Wenn du keine Arbeit hast, woher ist dann das Geld?«, fragte Caspar. »Du hast es doch niemandem geklaut, oder?«
    »Geklaut? Was für eine Unterstellung! Ich bin ein ehrlicher Mann, Caspar!«, rief Romer aus. »Du beleidigst mich!«
    »Das wollt er nicht«, ging Michel dazwischen. »Nicht, Caspar? Das wolltest du nicht.«
    »Nein«, erwiderte Caspar langsamer. »Woher ist das Geld dann, Romer?«
    Der einäugige Schneider überlegte noch kurz, ob er dem Mann die dreiste Unterstellung mit der Faust heimzahlen sollte – doch wenn Romer stark oder groß gewesen wäre, hätte er sicher ein anderes Handwerk als das Schneidern gewählt. Caspar hingegen besaß eine kräftige Figur und hatte mehrfach bewiesen, das er sich in einer Prügelei zu behaupten wusste. Nein, so würde Romer die Leute wenig beeindrucken. Seine Stärken lagen auf anderen Gebieten.
    »Es ist ein Vorschuss«, fauchte er trotzig. »Auf eine wichtige Arbeit, die ich zu tun habe.«

    »Was für Arbeit?«, fragte Caspar, doch der Schneider ließ den Bierkrug auf denTisch krachen. »Ich zahl das Bier«, knurrte er. »Da werd ich’s ja wohl ohne ein Verhör trinken dürfen?«
    »Ist ja gut, Romer«, beschwichtigte Michel. »Der Caspar, der meint’s nicht so, nicht wahr, Caspar?«
    »Nein«, erwiderte Caspar und leerte seinen Bierkrug. Er hob schon die Hand, um einen neuen zu bestellen, doch Romer war schneller.Wieder hob er drei Finger. »Alva, noch eine Runde!«
    »Der Caspar ist nur ein wenig mürrisch«, sagte Michel, »weil der Stadtrat ihm sein Geld nicht zurückholen kann.«
    »Der Stadtrat?«, fragte Romer interessiert. »Caspar, heh, was für Geld?«
    »Den Judenwucher«, grunzte Caspar. »Ich war beim Rat und habe Klage geführt. Sie haben sich alles fein angehört und alles niederschreiben lassen. Dann haben sie gesagt, ich müsse Geduld haben, sie würden sich drum kümmern. Und als ich gefragt habe, ob ich denn den Wucher, den ich schon bezahlt habe, zurückerhalte und ob ich dem Nathan denn sein Geld zurückgeben muss, da haben sie gelacht. Ein Schuldschein ist ein Schuldschein, haben sie gesagt. Ob der Nathan mit dem Teufel im Bunde ist oder nicht.«
    »Das sieht ihnen ähnlich«, stieß Romer aus und hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Und der Jude hat ihm sogar gedroht. Nicht wahr, Caspar? Er hat dir Gewalt angedroht!«, plapperte Michel.
    »Hat er das?«, fragte Romer entrüstet.
    »Das hat er«, schnaufte Caspar und fuhr sich durch den langen braunen Vollbart. »Er hat gesagt, in meinem Geschäft bräuchte man nicht beide Hände, um zu arbeiten, eine tät es auch. Hat gesagt, er würde sich meine Hand holen, wenn ich nicht zahle.«

    »Verdammtes Pack«, nickte Michel, und die drei Männer starrten einen Augenblick in ihre Krüge.
    Doch Romer kam diese Geschichte gerade recht. Besser hätte er es nicht treffen können! »Wenn du’s wissen willst, Caspar«, er senkte den Kopf

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