Die Lichtermagd
dacht, es wer deine«, murmelte Mose unschlüssig. »Aber se is schon als Jidene hier aus dem Haus gezogen, zusamen mit dem Foter.«
»Des is mir nit gut genug«, erwiderte Levi.
»Es geht auch nit um dein Haus«, knurrte Nathan.
»Nein, es get um deins, und die aller anderen hier«, bekannte Levi. »Aber wolt’er euer Fartrauen einer Lignerin schenken?
Eure Häuser farkaufen? Eure Waiber und Kinder ins Ungewis schlepen? Auf die Schtros, ze einer neuen Schtot, wo ihr ein neues Leben bauen mist?« Er sah sich um und wies schließlich mit dem Finger auf Luzinde. »Was wist er den iber das Meidel, und Gottschalks Tod? Meglich, das se ihn im Schtich gelasen hat! Meglich, das se ihn farschwarzt hat! Und meglich, das se euch nur Angst machen wil, damit ir aus Nirnberg flieht. Das wer ein leichter Streich fir de Ratsheren!«
Auch Luzinde sah in die Gesichter der Männer und Frauen. Die Entscheidung lag bei ihnen, und es war keine einfache. Alles zurücklassen und neu beginnen? Sie wusste, was das bedeutete, und sie wünschte es niemandem. Immerhin hätten die Juden einen gewissen Wohlstand, eine Familie, die zu ihnen hielte, und einige Gemeinden, die ihnen gerne wohltätige Hände entgegenstrecken würden. Trotzdem, es blieb eine schicksalhafte Entscheidung für sie alle.
»Nein«, stimmte Nathan widerwillig zu. »Des wil ich nit.«
»Ich wil’s auch nit«, meinte Eberlein. »Des is doch aless Bledsin.«
Luzindes Blick wanderte, wie der aller Anwesenden, zu Mose. Der schien nach wie vor innerlich zerrissen. »De magst Recht haben, Luzinde. Aber einfach so aless zericklasen, das kan ich niemandem raten. Wir solten versuchen ze verhandeln.« Dann sah er sie entschuldigend an. »Dies ist ein Schiwa -Haus. Bitte ge.«
»Aber es hat bereits begonnen«, sprach Luzinde leise. »In wenigen Tagen kommt Ulman Stromer aus Prag zurück. In seinem Gepäck trägt er einen Freibrief des Königs, den Marktplatz zu bauen und sich euer Hab und Gut anzueignen, wenn euch etwas geschieht. Wie könnt ihr da hierbleiben?«
Mose lächelte traurig. »Seit der Tempel gefalen is, Luzinde, sind wer schtets auf der Flucht.Wen wer jedes Mal laufen wirden,
wenn uns jemand drot, dan stinden wer nit mer schtil.« Und damit löste sich die Gesellschaft auf.
Die Gerüchte über Luzindes Nachricht aber verbreiteten sich unter den jüdischen Familien schnell. Die meisten wollten nicht glauben, dass in der heutigen Zeit in der Weltstadt Nürnberg so Schlimmes würde geschehen können, wie die Christenmagd prophezeite. Nur einige beherzigten in den nächsten beiden Tagen die Warnung und packten ihre Siebensachen, um heimlich die Stadt zu verlassen. Als manche von ihnen wegen Stadtflucht aufgegriffen und eingesperrt wurden, ließ der Rat die Wachen an den Stadttoren verstärken. Spätestens jetzt wurden von den Köpfen der Gemeinde die Bemühungen verstärkt, mit Hosto Stromer und dem Stadtrat Verhandlungen aufzunehmen. Doch der Ratsherr war für keinen von ihnen zu sprechen.
KAPITEL 24
Der Tag, an dem Ulman Stromer nach Nürnberg zurückkehrte, war der erste Tag des Dezembermonats; dieser Tag war dem heiligen Andreas geweiht, der den geblendeten Matthäus geheilt hatte. Der graue Morgen hatte sich in einen grauen Vormittag verwandelt und kündigte einen grauen Abend an. Auch Ulman und sein Schimmel wirkten grau im Zwielicht, als er mit Götz Scheffein und dem Rest der Reisegruppe durch das Tor beim Galgenberg hinein und die Königsstraße hoch vorbei am Klarissenkonvent ritt. Man trennte sich hinter der Stadtmauer. Der junge Mann trabte allein weiter.
Während die beschlagenen Hufe des Pferdes tief in den Schlamm vergangener Regentage einsackten, sah Ulman auf und betrachtete die Häuser um sich herum. Vor ihm warteten Sankt Laurentius und das wehrhafte Steinhaus seines Halbbruders Peter. Davon ab zogen sich gerade Gassen durch die Handwerkerviertel. Auf dem Platz vor der großen Kirche, deren krummes Holzgerüst bereits wieder von Arbeitern belebt war, die an der Fassade arbeiteten, hielt er inne und sah nach Norden. Man hatte einen klaren Blick zwischen den Häusern hindurch, über die Flussniederung hinweg und auf den jenseitigen Hang. Dort thronte einer der Streitpunkte dieses Konflikts – die Kaiserburg. Wie eine gemauerte Halbmondsichel saß sie Schulter an Schulter mit der Burggrafenburg auf dem Felsen über der Stadt. Ulman Stromer war einer der wenigen, die wussten, dass die Kaiserburg wieder dem Stadtrat unterstellt sein würde.
Der
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