Die Lichtermagd
Enttäuschung über Karls Gefeilsche saß ihm noch immer in den Knochen. Der König war nicht das ritterliche Vorbild, das Ulman in ihm gesehen hatte.
»Weil Götz Scheffein ja so ein begabter Unterhändler ist, wie?«, lachte der Onkel. »Oh, nein, mein Junge. Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du hast meine Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen.« Dann hielt Hosto Stromer inne. »Ich hörte, Gottschalk ist auf der Reise verschieden?«
Also war Luzinde mit den schlechten Neuigkeiten tatsächlich vor ihm eingetroffen. Kein Wunder, solange wie Karl ihn in den Verhandlungen hingehalten hatte! Doch Ulman wollte nicht über den Tod des Alten reden. Also erhob er sich. »Ja, Oheim. Doch du wirst mich entschuldigen, ich bin müde von dem langen Ritt. Und ich will endlich aus diesen dreckigen Gewändern heraus und ein anständiges Bad nehmen.«
»Geh, nimm ein Bad. Ich werde in die Wege leiten, was noch vor uns liegt. Jetzt können wir das alles endlich zu einem befriedigenden Ende bringen.«
Der Patrizier war schon an der Tür der Schreibkammer, als er noch einmal innehielt. »Willst du das wirklich tun?«
Erstaunt sah Hosto auf. Er ging zu seinem Schreibpult und wühlte in den Urkunden. »Ich sehe keine Alternative. Das Volk von Nürnberg lechzt nach Blut. Mit jedem Tag wird es schwerer, die Menschen davon abzuhalten, es aus den Juden herauszuschneiden.«
»Und wenn man mit ihnen verhandelte? Dass sie Haus und Hofstand zurücklassen und gehen?«
Hosto schaute nachdenklich. »Werden sie das tun? Ich weiß nicht. Außerdem naht der Feiertag. Manche Leute verlangen, dass man sie bis zum Vorabend von Sankt Nikolaus aus der Stadt wirft.«
»Man könnte immerhin mit den Juden reden.«
»Wirst du jetzt wieder weich, Ulman?«
»Nicht weich. Nur vorsichtig. Ich denke, es wäre einen Versuch wert.«
»Na ja, es würde uns eine Menge Unbill ersparen. Wir werden sehen.«
Ulman nickte und ging. Er würde sich ausruhen. Und dann würde er seine eigenen Pläne machen. Er musste darüber nachdenken, wie er Luzinde begegnen würde. Denn die Urkunde sprach den Rat von der Schuld für den Tod jener Juden frei, die in Nürnberg stürben. Nicht aber für den Tod von Juden in Böhmen; dort schützte Karl seine Kammerknechte noch immer mit aller Kraft. Wenn Luzinde in Tachau nachgeforscht hatte, dass er, Ulman, an Gottschalks Tod beteiligt war, dann war sie auch die Einzige, die Klage gegen ihn führen konnte. Und sie hatte selbst gesagt, dass der König den Schuldigen unbedingt finden wollte. Nun, da sie offenbar das Gehör des Königs besaß, bedrohte das Ulmans Existenz. Was also tun?
Der junge Patrizier zog aus den Fakten eine erschreckend nüchterne Konsequenz. Erbleichend stellte er fest, dass es nur einen Ausweg für ihn gab.Vielleicht war er seinem Onkel doch ähnlicher, als er gedacht hatte.
KAPITEL 25
Eine Woche lang hatten die Juden seit Luzindes Rückkehr versucht, Ulrich Stromer an den Verhandlungstisch zu bekommen. Eine Woche lang hatte man sie vertröstet. In dieser Woche hatte sich der innere Ring der Stadtmauer für die Juden als Henkersschlinge erwiesen. Unter der Hand erfuhr man ab und an von einzelnen Leuten, die an den Wachen vorbeigekommen waren. Doch die Nachrichten von jenen überwogen, die aufgegriffen und in die Lochgefängnisse geschleift wurden.
Luzinde hatte Nürnberg in dieser Zeit neu kennengelernt. Auf die Bettlerin hatte die Stadt feindlich gewirkt. Als Schabbesgoje in Gottschalks Haus hatte sie sich niemals als ein Teil von ihr empfunden. Nun war sie weder Bettlerin noch Gesinde, sondern trug ein Kleid, das sie als wohlhabend auswies. Mose hatte ihr aus Dankbarkeit für ihren Einsatz eine kleine Summe überlassen, die eigentlich für die Bezahlung von König Karl hatte verwendet werden sollen. Er sagte, es sei nicht viel, doch für Luzinde handelte es sich um ein kleines Vermögen. Was geschah, wenn die kleine Börse aufgebraucht sein würde, daran wollte sie noch keinen Gedanken verschwenden.
Das Verhältnis zwischen Christen und Juden war zum Zerreißen gespannt. Jeden Morgen befürchtete Luzinde, eine Meute zorniger Christen vor Rosas Tür anzutreffen, oder von Übergriffen zu hören. Doch nichts dergleichen geschah. Männer, Frauen und Kinder wurden ausgezischt, wo man ihnen begegnete. Die Zahl der stummen Anklagen wuchs, wie etwa der vor die Haustür gebaute Schuhmacherstand, in den Eingang
gekippte Nachttöpfe, in die Kellertreppen geschüttete Misthaufen oder Handwerker,
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