Die Lichtermagd
Treppe, wo Luzinde stand, und lächelte.
Zu Sankt Kordula, dem zweiundzwanzigsten Tag des Oktobermonats, kündigte sich im Hause Gottschalk ein Ritter zu Gast an.Arnold von Seckendorf, gehüllt in Gewänder und Schmuck, die seinen hohen Stand mehr als deutlich zur Schau trugen, fühlte sich sichtlich unwohl in dem jüdischen Haushalt. Nachdem Gottschalk ihn zu einer Unterredung in die Schreibstube geladen hatte, wurden dort oben schnell laute Worte gewechselt. Luzinde konnte selbst in der Küche heraushören, dass es um Geld ging.
Als es noch mal an der Haustür klopfte, legte die Magd die Wurzelbürste beiseite und öffnete. Sie spürte sich erröten als sie erkannte, dass Ulman Stromer draußen stand. »Ist dein Herr zu sprechen, Luzinde?«
»Nein, Herr, zurzeit hat er Besuch.« Da gellte auch schon die fremde Stimme aus der Schreibstube hinaus auf die Straße. »Das ist kein Grund! Der Burggraf hat nie Zahlungen erhalten. Egal, wer sonst noch was von euch Juden gefordert haben mag,
ihm schuldet Ihr noch Geld!« Die offenbar ruhigere Antwort von Gottschalk war nicht zu vernehmen.
»Es ist ein wichtiges Gespräch«, setzte Luzinde entschuldigend hinzu.
»Das scheint mir auch so.«
»Wollt Ihr warten?«
Sein vorsichtiger Blick zur Treppe sagte Luzinde mehr als tausend Worte. Wollte der junge Herr von dem Seckendorfer Ritter nicht gesehen werden? »Vielleicht führst du mich in den Hof, bis dein Herr da oben fertig ist?«
»Ja, Herr, das kann ich tun.«
Dankbar nahm Ulman einen Platz auf der Bank im Hof ein und schlürfte an dem warmen Bier, dass Luzinde ihm brachte. Der Oktobertag war erstaunlich milde im Gegensatz zur letzten Woche. »Ist der Besuch schon oft da gewesen?«
»Nein, Herr. Das erste Mal.« Die Neugier übermannte sie. »Rechnet Ihr denn damit, dass er noch öfter kommt?«
Er lächelte sie entschuldigend an. »Ich kann mich nicht gut verstellen, was? Ich kenne den von Seckendorf. Und ich fürchte für deinen Großonkel. Da es um Geld geht, wird er wiederkommen.«
»Was will er denn?«
»Die Abgaben, die die Juden an den König zahlen müssen. Sie sind an den Burggrafen verpfändet worden. Und während des Aufstandes hat sie der Aufstandsrat eingesackt. Das interessiert den Burggrafen aber vermutlich wenig, denn er will ja sein Judengeld. Er braucht es.«
»Aber wenn sie es doch schon gezahlt haben – warum holt er es sich dann nicht vom Rat?«
»Weil das ein anderer Rat war als der von heute. Der jetzige Rat ist natürlich nicht willens, Gelder auszuzahlen, die sein aufrührerischer Vorgänger vielleicht eingezogen hat, um die
Löcher in der Stadtkasse zu stopfen. Denn wenn der Aufstandsrat eines hinterlassen hat, dann sind es Schulden.«
»Und das heißt, weil das Geld weg ist, sollen die Juden doppelt zahlen?«
»So klingt es zumindest.« Ulman musterte sie prüfend. »Hast du all das denn nicht mitbekommen?«
Luzinde errötete. »Nein, Herr – ich war doch damals noch nicht hier in Nürnberg. Ich komme doch aus … Regensburg, wie ich Euch bereits berichtet habe.«
»Ich vergaß. Luzinde«, er stockte und sah für einen Augenblick sehr verletzlich aus, »ich sollte dir das eigentlich nicht sagen – aber ich mache mir Sorgen um deinen Großonkel. Um euch alle. Das Geld der Juden – euer Geld – ist ein verlockender Preis, den sich viele Menschen wünschen. Und so manche Leute schrecken nicht davor zurück, über gewaltsame Maßnahmen nachzudenken.«
»Gewalt?«, fragte Luzinde entsetzt. Sie hatte von Verbrennungen von Juden gehört, die früher landauf und landab stattgefunden hatten. Als Gründe wurden stets die Grässlichkeiten genannt, die angeblich der jüdischen Religion halber stattfanden. Entweihungen des Leib Christi, rituelle Schlachtungen christlicher Kinder, kirchliche Pfänder, die mit Urin und Schweinemist besudelt wurden … Luzinde lebte ja noch nicht lange bei den Juden, aber solcher Dinge entsprachen überhaupt nicht der Religion, die sie hier flüchtig kennengelernt hatte. »Das wäre ja furchtbar. Aber Juden und Christen profitieren doch voneinander, oder?«
»Es gibt Leute, die daran Anstoß nehmen, dass die Juden all den Profit vom Geldgewerbe haben. Sie schielen mit Neid auf euren Reichtum.«
»Reichtum?«, schnaubte Luzinde mit einem Lächeln. »Nicht alle Juden sind Wucherer. Und nicht alle Juden sind reich.«
»Natürlich nicht«, meinte der Patrizier. »Aber vielen Leuten erscheint es so. Und der Reichtum der wenigen ist Verlockung
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