Die Lichtermagd
Nathan gemacht«, sie wies mit dem Kinn zum einen Nachbarhaus, wo Nathan von Grevenberg lebte. »Hat’s nit zahlen können. Das passiert schon mal.« Sie seufzte. »Hat aless verlor’n, de Schneiderei, de Familie … Der Foter hat sich letztes Jar erhangt.«
Luzinde nickte. Das erklärte, warum der Mann die Juden hasste. Der Vater in den Ruin getrieben und dann von der eigenen Hand gestorben – wen würde das nicht zornig machen? »Und dann?«
»Und dan hat der Romer einen Auflauf gemacht. Hat alless Folk farsamelt, das er finden konnt, und wollt schon herziehen und uns alle erschlaken.«
»Aber das ist nicht passiert?«
»Nein, is nit. Der Rat hat den Romer geschnappt. Hat ihn aus der Schtot gebannt, fer finf Jar.«
»Aber – wenn er letztes Jahr auf fünf Jahre verbannt worden ist – warum ist er dann wieder zurück in Nürnberg?«
»Des is eine ser gute Frage, Kind«, sagte Rahel traurig. »Eine ser gute Frage.« Dann wischte sie die Angelegenheit mit einer ungeduldigen Handbewegung vomTisch. »Schluss damit. S’ get um den Jakob hier. Der Jung kan selbst sen, das du nit schuld bist an seinem Scheidelbrumen.«
»Aber warum ist der dann so wütend auf mich?«
»Meinst nit, dass de ihm felst?«
»Ich – ihm fehlen?«
»Ja, Meidel. De bist fer ihn wie ein Schwester geworden. Ein Schpielkamerad. Und nu redest’e nit mer mit ihm, nit?«
»Aber … Rebekka hat es mir untersagt!«
»Des weiß doch der Bube nit, Kind. Und wem sol er sunsst die Schuld geben – seiner Muter?«
»Willst du mir damit sagen, ich soll an Rebekka vorbei mit ihm reden?«
»Ihre Winsch halten dich doch sonst nit davon ab, dein Wilen zu haben, nit? Se lent dich ab, und doch biste noch hir …«
»Ich -«, Luzinde errötete. »Aber Rebekka sitzt auf ihm wie eine Glucke. Sie lässt mich nicht an ihn ran!«
»Dann musst’e dir was iberlegen, nit? Bist doch sonst ein schlaues Meidel.«
»Aber wie -« Schritte auf der Treppe ließen sie aufhorchen.
Rahel nahm Luzinde den Krug aus der Hand. »Dir felt schon was ein, nit? Nu hol neues Bier.«
»Wo bleiben den de neuen Graupen?«, fragte Bel leise, als Luzinde an ihr vorbei zum Keller eilte, während Rahel sich an den Herd stellte. »Graupen? Die komen gleich.«
Luzinde tastete sich mit der Laterne die steilen und ausgetretenen Stufen hinunter. Unten hielt sie kurz inne und schloss die Augen. Hatte Rahel Recht? Hasste Jakob sie am Ende gar nicht für das, was mit ihm geschehen war? Der Gedanke ließ das Herz der Magd vor Freude höher schlagen. Schließlich gelangte sie zum Bierfass, stellte den Krug darunter und öffnete den Zapfen, während sie sich auf einen Hocker setzte. Erst atmete sie den kühlen Kellergeruch und sah dem schäumenden Strom zu, wie er in den Krug plätscherte. Dann begann sie zu planen. Was sollte sie nur tun, um Jakob eine Nachricht zukommen zu lassen? Sollte sie Rebekka aus dem Haus locken? Sollte sie sich nachts in die Kammer der Kinder schleichen?
Doch das würde Bel bemerken und vielleicht der Mutter verraten.
Als ein merkwürdiges Geräusch ertönte, sah sie auf. Es hatte geklungen wie hohl aufeinanderreibendes Holz. Luzinde hielt den Atem an und griff nach der Laterne, um nachzusehen. Sie kannte das Geräusch – es war ihr sehr vertraut. Doch sie konnte es nicht einordnen. Sie tastete sich vorsichtig durch die Kellerräume und stellte erstaunt fest, dass es noch zwei weitere davon unterhalb des Hauses gab, die so groß waren, dass etliche Fässer mit Bier, Korn, Stockfisch und anderen haltbaren Nahrungsmitteln hier unten Platz fanden. Als sie dem Geräusch folgte und eine niedrige Holztür aufschob, drang das Rattern von Karrenrädern durch einen schmalen Schacht in der Decke. Doch das andere, merkwürdige Geräusch kam aus einem kleinen Bogendurchgang, der kaum bis zu Luzindes Hüfte reichte und mit einem schrägen Stück Holz versperrt war. Dahinter hörte sie einen Wasserstrom gurgeln. Als sie in das dunkle Loch hineinleuchtete, musste sie beinahe lachen. Dort saß, gerade außerhalb ihrer Armesreichweite, ein Frosch, ein kleines hellgrünes Ding, und blähte die Backen auf. Dabei ertönte das merkwürdig hölzerne Geräusch, das klang wie eine Ratsche. Kein Wunder, dass sie den Laut nicht hatte zuordnen können – Frösche kannte sie von den Pillenreuther Teichen, in der Stadt waren sie ungewöhnlich. Vermutlich kamen sie vom nahen Pegnitzufer. Ob es dasselbe Tier war wie das erste?
»Heh du«, murmelte Luzinde. »Du fühlst dich hier
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