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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Luzinde«, hatte Gottschalk hinzugefügt. »Jiden sind alle im Exil, fern des heiligen Landes. Also missen wir alle einander helfen.«
    Die Magd änderte enttäuscht ihre Bestellung. Auch die anderen Mitreisenden trugen ihre Wünsche vor. »Wer kennen uns auf Reisen nur an wenige Gebote halten«, erklärte Gottschalk ihr weiter. »Aber manche lasen sich einfacher befolgen als andere. Ich farsuch des, wo’s get.«
    Das war Luzinde kein Trost, denn sie war hungrig. Und zu allem Überfluss dauerte die Bewirtung eine ganze Weile. Luzinde war gewohnt, sich in der Küche selbst zu versorgen, doch sie hätte gedacht, dass man einen reichen Juden schnell bediente, denn immerhin konnte er gut zahlen. Als sie schließlich ihr Essen erhielten – das Bier war kaum lau, wie sie feststellte -, fragte sie Gottschalk: »Ist’s üblich, dass alle Leute vor euch bedient werden?« Sie wies auf die anderen jüdischen Reisenden, die teilweise immer noch auf das Essen warteten. Luzinde kannte die wenigsten von ihnen, und wenn dann nur vom Sehen. Einer von ihnen, ein Mann mit rotem Bart, den die anderen Josef nannten, wirkte über die Wartezeit sehr verärgert.
    Der Alte nahm Schale und Krug in Empfang und zuckte nur mit den Schultern. »Wer sind eben auf Reisen nit ser beliebt.«
    »Aber du hast doch Geld bei dir!« Sie wusste, dass er sogar verhältnismäßig viel Geld bei sich trug. Gottschalk hatte einen Teil der für sie unermesslichen Summe von mehreren Tausend Pfund Haller bei sich, die König Karl als Gabe überreicht werden
sollten. Sie wusste, dass er Edelsteine in großem Wert in seinen warmen pelzbesetzten Umhang eingenäht trug. Den genauen Wert der Steine kannte sie nicht. Doch es sollte ausreichen, einen König zu beeindrucken. Die Summen, die die Juden von Nürnberg dem König bezahlten, waren so hoch, dass sie sich diese kaum vorstellen konnte – 1100 Pfund Haller im Jahr. Und sie wusste, dass sie ein bis zwei Hundert Pfund willens waren mehr zu zahlen, um ihren Frieden zu haben.
    »Wer solten fro sein, wenn’s uns was geben«, sagte der Alte, der mit seinem Geld das Wirtshaus vermutlich aufkaufen könnte, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Luzinde setzte sich verärgert an einen Tisch und streckte ihre müden Beine aus. Erschrocken zuckte sie zusammen, als eine große Hand auf das Holz krachte. »Nicht an meinem Tisch! Esst euer Zeug draußen!« Der Hauswirt funkelte sie feindselig an.
    »Wer biten um Pardon«, murmelte Gottschalk und winkte mit dem Kopf. Luzinde war längst aufgesprungen. Sie folgte dem Alten schnell hinaus, denn plötzlich starrten sie auch die anderen Gäste feindselig an. Dann erhoben sich die Juden einer nach dem anderen und folgten nach draußen. Nur der Mann namens Josef machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen.
    »Du, weg mit dir nach draußen!«, befahl der Wirt. Josef hob nur langsam den Kopf. Luzinde schlug das Herz bis zum Halse.
    »Ich bin Knecht der Kamer des Keniks«, erwiderte Josef schließlich. »Ich hab jedes Recht, hir ze sitzen.«
    »Am Arsch mit der Kammer des Königs«, knurrte der Wirt. »Das ist mein Gasthaus! Und jetzt mach, dass du wegkommst, wenn du überhaupt etwas essen willst!«
    Luzinde war mit Josef die letzte aus der Reisegesellschaft, die noch im Schankraum stand. Alle anderen Gäste glotzten
feindselig herüber. Dann erhob Josef sich langsam, wie ein Bär, der sich auf die Hinterbeine aufrichtete. Er ballte die Hand zur Faust. Luzinde hielt den Atem an. Wenn er den Wirt schlüge und sich die Leute hier gegen ihn wandten … Josef schlug die Faust auf den Tisch. Dann entspannte er sich und verließ den Raum. Luzinde atmete auf und folgte ihm.
    Draußen nieselte es noch immer. Das Dach des Hauses ragte nur wenig über die Bank, die hier stand. Manche aßen im Stehen, andere setzten sich auf den Rand der Pferdetränke oder auf die Wagenflächen. Luzindes Brot wurde feucht. »So viel zu einem warmen Mahl an einem gemütlichen Feuer«, knurrte sie. Das Kaufmannsleben auf Reisen hatte sie sich anders vorgestellt.
    »Holst des Wasser?«, fragte Gottschalk.
    Das Wasser! Luzinde legte ärgerlich Brot und Käse beiseite und sprang auf. Sie ging zum Brunnen und zog einen gefüllten Eimer hoch. Den füllte sie in einen hölzernen Becher, den sie mitgebracht hatten. Sie reichte ihn erst dem Alten, der sich das Wasser zweimal über jede Hand goss, wie sie es schon so oft in seinem Haus beobachtet hatte. Dabei murmelte er den Segensspruch, der diese rituelle Handlung begleitete.

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