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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Schleier vom Kopf riss und sie eine Lügnerin schimpfte? Doch das kleine Reisegrüppchen passierte zuerst die Fleischbrücke, dann das Tor an der Königsstraße. Schließlich verließen sie auch die äußeren Bereiche Nürnbergs, vorbei am Klarissenkonvent und dem Galgenberg, ohne dass Luzindes Verkleidung jemandem aufgefallen wäre. War es wirklich möglich, dass niemand sie als Christin erkannte? Der Gedanke erschreckte sie, denn das bedeutete auch, dass sie sich nun einen Leumund als Jüdin machen würde.Was
wäre, wenn es niemanden mehr gäbe, der beschwören konnte, dass sie die Christenmagd Luzinde war? Müsste sie dann auf ewig diese Kleider tragen?
    Außerhalb von Nürnberg trafen die drei Wagen der jüdischen Gesandtschaft schließlich aufeinander. Es fand sich eine Gruppe von über einem Dutzend Knechten zusammen, die meist nebenherliefen. Man hatte sich hinter dem Galgenberg verabredet, damit der Aufbruch nicht wie ein Auszug der Gro ßen aussah. Auch wenn Hosto Stromer bereits von ihrem Plan wusste – immerhin mussten Juden Auskunft über ihr Kommen und Gehen geben -, wollte man doch nicht auch noch den Rest der Stadt misstrauisch machen. Daher handelte es sich bei den anderen Reisenden auch um weniger bekannte Leute.
    Fischlein hielt die Zügel und ließ das Pferd munter ausschreiten, bis ihr Wagen an der Spitze des kleinen Zuges fuhr. Die Gefährte waren alle rechts und links mit Holz verkleidet und besaßen ein Dach. Nach vorne und hinten waren sie mit Planen geschützt, und innen gab es Bänke, Decken und Kissen.
    Luzinde schmiegte sich in eine Wolldecke und saß stumm neben Gottschalk. Was würde die Straße vor ihnen für sie bereithalten? Sie war froh, dass so viele wehrhafte Männer mitgingen. Ihnen waren zwar keine Waffen erlaubt, die diesen Namen verdienten – doch Wanderstöcke, Beile fürs Feuerholz und Fleischmesser durfte man ihnen nicht wegnehmen.
    »Der erste Tag einer Reise is imer der schnelste«, sprach Gottschalk, und tatsächlich kamen sie gut voran. Nach ein paar Stunden durch den dichten Reichswald erreichten sie Feucht, und Luzinde fürchtete längst nicht mehr, von jedem beliebigen Bauern oder Bettelmönch, dem sie auf der Straße begegnete, enttarnt zu werden. Sie wurde mutiger und fragte den Alten weiter aus, was es mit gewissen Bräuchen, wie etwa den Gebetsriemen, auf sich hatte.

    »Des schtet so in der Tora «, sprach Gottschalk, und begann zu zitieren: »›Diese meine Worte solt’er auf euer Herz schreiben, und auf eure Seel schreiben. Ihr solt se als Zeichen binden um des Handgelenk. Sie soln Schmuck werden auf eurer Stirn.‹«
    »Muss ich das auch tun?«, fragte Luzinde entsetzt. Machtvolle Worte auf Pergament schreiben und auf die Stirn binden? Das klang zu sehr nach Zauberei! Glücklicherweise schüttelte Gottschalk den Kopf. »Nein, liebe Großnichte«, schmunzelte er, »des musst nit tun. Des machen nur de Mannen.«
    Am Mittag fanden sie einen Gasthof in dem kleinen Ort Altdorf, der von den vielen Gästen beinahe überfordert war. Luzinde atmete auf, denn ein feiner Nieselregen überzog das Land. »Komm schon, Oheim«, betonte sie augenzwinkernd. Sie strebte selbst zum Eingang, sah aber aus den Augenwinkeln, wie Fischlein die Hilfe eines Stalljungen abwies, beim Ausschirren zu helfen. Die anderen Knechte taten es ihm gleich. Sie fand das eigenartig, verwarf den Gedanken aber und betrat dann den Schankraum. Der Alte hatte versprochen, dass es warme Mahlzeiten gäbe, wann immer welche zu erhalten waren. Gottschalk folgte ihr langsamer. Im Gasthaus standen einfache lange Tische und Bänke, an denen reisende Handwerker und Kaufleute saßen. Ein Eintopf mit Speck duftete ihr entgegen – offenbar hatte man kürzlich geschlachtet.
    »Zwei Schüsseln Eintopf«, trug sie der Wirtin hungrig auf. »Und zwei Krüge Bier!« Sie erhielt einen merkwürdigen Blick. »Und es wird wohl noch mehr gebraucht werden.«
    »Kenen Eintopf fer mich, bitte«, korrigierte Gottschalk. »Und de soltest des auch nit nemen, Luzinde. Des is sicher nit koscher.«
    Siedend heiß fiel der jungen Frau ein, was der Alte ihr über jüdische Essensvorschriften gesagt hatte. »Niemals Schwein,
des is umrein. Aless andere muss koscher sein. Bei Fleisch get des auf Reisen meist nit. Nur, wen de ein Lagerstatt bei einem andern Jidenen bekomst.« Und dass Gastfreundschaft eine heilige Tugend war, hatte sie in diesem Zusammenhang auch erfahren. »Kein Jid wird einen anderen Jidenen von der Tire weisen,

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