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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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presste die Lippen aufeinander. War dies noch der Mann, dem sie vor knapp einer Woche auf der Kaiserburg so nah gewesen war? War dieser hasserfüllte, schwarz gekleidete Mann wirklich derselbe wie jener sanfte Liebhaber?

    »Du brauchst mir nicht zu antworten.Wir wissen Bescheid.« Ulman trat näher an sie heran, so dass Luzinde fürchtete, er würde wieder versuchen, sie in die Folterkammer zu stoßen. Doch er blieb auf Armeslänge Abstand stehen. »Es geht das Gerücht, es gäbe einen Zeugen, der die Ratsleute belasten könnte. Das bist du, nicht wahr? Du hast meinen Oheim in der Kirche belauscht! Vielleicht sollte ich dich in die Zelle mit der schwarzen Katze stecken lassen. Zusammen mit anderem Abschaum, der über ehrenvolle Bürger herzieht.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Aber es ist einerlei. Dein Wort wird kein Gewicht haben, und Gottschalks Reise keinen Erfolg.«
    »Ich dachte, du hast den alten Mann gerne!«
    »Er sollte besser aus Nürnberg verschwinden, solange er noch kann.«
    Wann hatte er sich so erklärt auf die Seite seines Oheims gestellt? Oder hatte er dort schon immer gestanden? »Du Bastard!«, presste Luzinde heraus.
    »Nein«, sagte Ulman. »Das wird wohl eher auf dein Kind zutreffen, nicht wahr?« Er trat wieder zurück. »Wie lange ist das her? Fünf Jahre? Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht, was es alles durchgemacht hat? Oder wie es heute aussieht?« Die Grausamkeit, die jetzt aus seinen Zügen sprach, tilgte auch die letzte Ähnlichkeit, die der junge Mann mit dem verliebten Burschen auf der Kaiserburg gehabt hatte. »Und hast du jemals daran gedacht, dass du es vielleicht wiedersehen könntest?«
    Diese Frage raubte Luzinde für einen Augenblick den Atem. »Wiedersehen?«, wiederholte sie dann bebend.
    »Ich weiß, wo dein Balg steckt, Luzinde. Aber wenn du Gottschalk begleitest … dann verspielst du meinen letzten Rest Mitleid. Dann wirst du es nie wieder sehen.« Er sah noch auf sie herunter, und Luzinde meinte, seine Hände zittern zu sehen.
Er ballte sie zu Fäusten. »Denk darüber nach. Ich schätze, du findest selbst hinaus.« Damit drehte er sich um und ging.
    Luzinde blieb zurück. Sie spürte erst, dass sie weinte, als sie die Tränen salzig auf den Lippen schmeckte. Sie weinte über die Wunde, die Ulmans Grausamkeit geschlagen hatte. Sie weinte, weil sie mit ein wenig Ehrlichkeit hätte verhindern können, dass er sich so voller Hass von ihr abgewandt hatte. Am meisten aber weinte sie darüber, dass er trotz der messerscharfen Worte eine schmerzende Leere in ihrem Inneren hinterließ.
    Dann begriff sie den vollen Umfang seiner Erpressung. Ich weiß, wo dein Balg steckt, Luzinde, hatte er gesagt. Sie schlang die Arme um den Körper, um ein Zittern zu unterdrücken. Woher wusste er das? Hatte Margaret ihm davon berichtet? Warum ausgerechnet ihm? Und viel wichtiger noch: Hatte er gelogen? Oder wusste er wirklich, wo ihr Kind die letzten Jahre verbracht hatte? Und wo es sich jetzt befand, in diesem Augenblick? Mochte es sich gar in Nürnberg aufhalten? Sie wagte diesen Gedanken gar nicht zu fassen.
    »He, du!«, knurrte es da neben ihr.
    Luzinde zuckte zusammen. Ein hagerer Kerl mit Glatze und tief eingefurchten Falten im Gesicht hatte sie angestupst. Er trug eine blutbefleckte Lederschürze.
    »Das is kein Ort für Bettler und Huren, Weib!«, meinte er. »Mach, dass du wegkommst. Sonst behalt ich dich gleich hier.« Damit grinste er humorlos und wies mit dem Daumen auf die Folterkammer.
    Luzinde sprang auf. Sie lief den Gang hinunter, in die Richtung, in die Ulman fortgegangen war. Das war nicht der Weg, den sie gekommen waren, doch sie hatte Glück: vorbei an weiteren verriegelten Holztüren kam sie schon bald zu der Treppe, über die sie diesen schrecklichen Ort betreten hatte. Beinahe
panisch stürmte sie die Stufen hoch, riss die Holztüre auf und lief, bis sie das Rathaus weit hinter sich gelassen hatte. Als sie bemerkte, dass sie die Straße zur Burg hinauflief, hielt sie endlich an und schöpfte Atem. Die Luft war schneidend kalt, und Schweiß klebte ihr am ganzen Körper. Sie ging weiter, um warm zu bleiben. Doch sie machte einen großen Bogen um den Zotenberg. Sie mochte noch nicht wieder in Gottschalks Haus zurückkehren.
    Morgen sollte der Aufbruch nach Prag stattfinden. Morgen musste sie wissen, was sie tun sollte. Wenn du Gottschalk begleitest, dann wirst du es nie wieder sehen, hatte Ulman gesagt. Wie konnte er ihr gegenüber so kalt, so

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