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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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fragte George Lincoln und Meriwether nickte.
    Langsam machten sie sich mit dem angeschlagenen
    Kameraden an den Abstieg.
    Joseph erbot sich, sie noch vom Stadel weg ein Stück weit bis ins Tal zu begleiten. Jedenfalls so weit, bis sie sich nicht mehr verirren konnten. Vor Argentiere fanden sie in einem kleinen Gasthof eine preiswerte Unterkunft, aßen noch eine Kleinigkeit zu Abend und fielen dann todmüde ins Bett.

    »Hey, Professor, willst du nicht aufstehen?« Es war Bradley, der im Türrahmen stand. Durch das Fenster flutete hell und warm das Licht der Morgensonne. Noch halb benommen setzte sich George Lincoln auf. Von draußen drang das Rauschen der Arve, die nahe am Haus vorbeifloss.
    Meriwether saß schon beim Frühstück, hatte sich offenbar gut erholt und schien bester Laune zu sein. Seine aufgeschrammte Nase sah stellenweise immer noch aus wie eine überreife Himbeere und auch die Blessuren an der Stirne zeugten von dem gestrigen Abenteuer, von dem sie bestimmt noch ihren Urenkeln erzählen würden. Natürlich jeder in seiner eigenen Version.
    »Was machen wir heute?«, fragte er unternehmungslustig und nahm einen großen Schluck Milch.
    Für George Lincoln war diese Frage der Anlass, seine bergsteigerische Laufbahn zu beenden. »Ich habe Salzburg gesehen und Neapel, war in Thüringen und Tirol. Sicher, hier ist alles größer, verzaubernder. Aber das Auge findet keine Ruhe, es ist keine Umgebung, in der ich leben könnte. Behaltet eure Berge und gebt mir Fall Creek, den sonnigen Cayuga und die blauen, weiten Enfield-Hügel zurück!« Kein Zweifel, er hatte Heimweh.
    »Wir haben daran gedacht, unseren beiden Rettern eine gute Flasche Wein nach oben zu bringen!«, sagte Meriwether, dem seine Betroffenheit ebenso anzumerken war wie Bradley. Aber sie wussten, dass es sinnlos war, den Professor von etwas abzubringen, wenn er fest entschlossen war.
    »Ich werde hinaus nach Chamonix wandern, aber ohne Umwege«, antwortete Burr, »ich habe dort noch etwas zu erledigen!«
    »Warum? Hat es hier auch Hexenverfolgungen gegeben?«, feixte Bradley.
    »Eben das möchte ich ja herausbekommen!«
    Der Pfarrer von Chamonix war bereits um die siebzig, ein kleiner, hagerer Mann mit schütterem Haar und scharfen Augen. »Ja, auch hier haben Hinrichtungen stattgefunden, aber da müsste ich nachsehen! Ich glaube, ein Fall Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts, also schon ziemlich früh und ein weiterer Mitte des siebzehnten Jahrhunderts! Wir sind da etwas besser dran als die Kollegen in Deutschland, wo die meisten Kirchenbücher im Dreißigjährigen Krieg verbrannt wurden oder sonst wie verloren gingen!«, bemerkte er lächelnd.
    Der Geistliche hatte sich nicht geirrt. Tatsächlich fand sich ein Eintrag Jean Greland, der 1438 auf den Scheiterhaufen kam, zusammen mit zehn anderen, die aber nicht namentlich genannt waren.
    »Scheint ein Kettenprozess gewesen zu sein!«, meinte Burr.
    Beim zweiten Fall handelte es sich um einen Hostienfrevler namens Joan Gehauds, der auf die Hostie eingetreten und dem sie dafür vor der Verbrennung noch als verschärfte Strafe den Fuß abgehackt hatten.

    19

    Es war die Nacht vom 25. auf den 26. März 1635. In der Jesuitenkirche lagen die Patres vor dem Altar auf den Knien.
    Das war das Letzte, was ihnen Kurfürst Philipp Christoph von Sötern noch zugestanden hatte: ein vierzigstündiges Gebet um das Wohl der Stadt, danach hatten sie Trier am kommenden Tag zu verlassen, und zwar mit Sack und Pack! Im August des vorletzten Jahres hatte sich der Kurfürst mit den Franzosen verbündet und sie als Schutzmacht geholt. Der Kaiser im fernen Wien versprach zwar viel, aber man hatte ja am Beispiel von Mainz gesehen, was seine Obhut wert war.
    Anstatt die Stadt zu verteidigen, waren die habsburgischen Truppen einfach abgehauen. Was sollte Philipp Christoph von Sötern also tun? Er hatte nur die Wahl zwischen Pestilenz und Cholera. Entweder von den Schweden überfallen zu werden oder sich mit den hugenottischen Franzosen zusammenzutun.
    War das wirklich so schlimm, wenn selbst ein Kardinal Richelieu nicht vor einem solchen Schritt zurückschreckte?
    Den Bürgern und den einfachen Leuten war es gleichgültig, mit wem er paktierte, Hauptsache, die Stadt blieb vom Krieg verschont. Sie hatten auch nichts dagegen, als er gleich darauf noch vorsichtshalber einen Vertrag mit den Schweden schloss.
    Nur die Jesuiten waren der Ansicht, dass das alles nicht anginge und man treu zum katholischen Kaiser zu stehen

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