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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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letzten Stunden.
    Bittend, flehend, flüsternd, keuchend, hilflos, schamvoll, verzweifelt. Müde wandte er sich um.
    Auf dem Boden sitzend lehnte an einer Hauswand ein Soldat, die Beine von sich gespreizt, die Hände auf die rot verfärbte Binde vor dem Bauch gepresst. Spee wollte sein Wams öffnen.
    »Lasst es gut sein. Mit mir geht es zu Ende. So ein verdammter Franzmann hat mich aufgeschlitzt! Aber den habe ich dafür noch vor mir hinübergeschickt, damit er mir einen Platz freihält!« Er wollte lachen, verzog jedoch sogleich schmerzhaft das Gesicht. »Ich bin kein schlechter Mensch, Pater! Nicht, dass Ihr das glaubt! Der Krieg hat das aus mir gemacht, was ich bin!« Er sah Spee lange an. »Erkennt Ihr mich nicht?«
    Spee überlegte. Irgendwo hatte er ihn schon gesehen. Aber er wusste nicht, wo.
    »Heute früh!«, sagte der Verwundete, hustete und spuckte aus. Im Auswurf war Blut. »Ich wollte gerade diesen Sauhund von Franzmann abstechen!«
    Jetzt fiel es Spee wieder ein. »Und hast es dann doch nicht getan! Sein Leben war in deiner Hand. Gott wird es dir hoch anrechnen. Du wirst ihm bald gegenüberstehen!«
    »Ich weiß. Hab darüber aber noch nie nachgedacht. Mit mir ist es aus.« Er zögerte einen Augenblick. »Ich bin zwar Lutheraner, war früher mal katholisch. Katholisch hin, lutherisch her. Ich hoffe, der Herrgott ist nicht allzu engstirnig.
    Ich möchte beichten, geht das?«
    Spee nickte und legte seine Stola um.
    Nach dem Ego te absolvo lehnte der Mann seinen Kopf an die Wand, in seinen Augen schimmerten Tränen. »Jetzt kann ich gehen. In eine hoffentlich bessere Welt!« Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn. »Pater, bleibt bei mir!«
    In den Augen des Landsknechts lag die ganze Verlassenheit eines Menschen, der unabänderlich seinen letzten Gang zu gehen hat. Spee hob seine blutverschmierte Soutane in die Höhe und setzte sich neben ihn. Dann langte er nach dem Hut des Söldners, säuberte ihn so gut es ging und setzte ihn ihm auf den Kopf.
    »Ohne Hut bei der Sonne…«, lächelte er, wobei er ihm tröstend über die Wange strich.
    Ein trockenes Schluchzen drang aus der Kehle des
    Kriegsknechtes. Wie lange war das her, dass ihn jemand als Mensch berührt hatte? Seine Frau war schon beinahe zehn Jahre tot und bei den Trosshuren und Marketenderinnen gab es das nicht einmal für viel Geld. »Vergelt’s Gott, Pater! Ich bin glücklich! Der glücklichste Mensch hier in der Stadt. Wie heißt sie?«, flüsterte er.
    »Trier.«
    »Ja, Trier«, sagte er. Ein Zittern ging durch seinen Körper, dann sank das Kinn auf die Brust.
    Spee erhob sich und machte dem Toten das Kreuzzeichen auf die Stirn.
    Am Abend lagen an die fünfhundert Franzosen tot in den Straßen, etwa ebenso viele waren gefangen genommen worden. In der Nacht zuvor waren die kaiserlichen Truppen mit zwölfhundert Mann beinahe unbemerkt auf Schiffen die Mosel herabgekommen und hatten den Franzosen eine vernichtende Niederlage bereitet. Auf
    jeden zweiten
    Einwohner Triers kam nun ein Soldat.
    Eigentlich hätte es den Jesuiten recht sein können. Die Franzosen waren geschlagen, die Stadt war wieder unter habsburgischer Herrschaft und damit auch ihr Verbleib gesichert.
    Pater Heinrich Turck empfand wie viele andere Mitbrüder die Behandlung der Gefangenen als für einen Christenmenschen beschämend. Mit ihm verband Spee eine gewisse
    Seelenverwandtschaft. Der junge Turck hatte nicht unwesentlichen Anteil daran, dass Spee im Orden eine vollständige Rehabilitierung erfahren hatte, ja sogar zum Professor der Exegese befördert worden war.
    »Wie die Tiere haben sie die Gefangenen
    zusammengetrieben, nein, Tiere behandeln sie besser. Selbst auf Verwundete nehmen sie keine Rücksicht, prügeln und hauen gnadenlos auf sie ein!«
    Spee nickte.

»Gleich morgen früh gehe ich zu Graf von Emden. Jetzt aber will ich hinüber zum Sommerhaus, um mich um die
    Verwundeten zu kümmern.«
    Das Sommerhaus, das den Patres an freien Tagen zur Erholung zur Verfügung stand, lag außerhalb der Stadt. Die beginnende Nacht legte gnädig ihren dunklen Mantel über die Straßen, in denen überall noch Leichen lagen, um die sich niemand kümmerte. Söldner der siegreichen Soldateska und Trossbuben beugten sich über die Toten, durchsuchten ihre Taschen, nahmen deren Waffen an sich und durchstöberten die Häuser nach Trink- und Essbarem.
    Als Spee und Pater Turck das Sommerhaus betraten, hielten sie unwillkürlich den Atem an. Der Gestank war fürchterlich.
    Aber hier

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