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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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der senkrecht abbrechenden Kante entfernt saß Meriwether im Geröll!
    Bradley war nun nachgekommen und starrte ebenso
    ungläubig hinüber. Auch Meriwether schien sie nun bemerkt zu haben. Er riss seinen Eispickel in die Höhe, um zu deuten, dass er in Ordnung sei. War er nun, so unglaublich es auch sein mochte, am Leben, so war er aber noch lange nicht in Sicherheit. Auf der anderen Seite endete der Gletscher an einer blank geschliffenen Felswand, zu ihnen herüber war der Zugang auf das Band durch einen hohen Riegel versperrt, vor dem auch noch der Gletscherbach reißend talwärts schoss. Die einzige Möglichkeit schien ein Stück weiter oben zu sein, an einer Stelle kurz unterhalb des Gletschers, dort, wo das Wasser unter dem Eis hervortrat. George Lincoln kletterte hinauf, das Gelände war gut gestuft und unschwierig. Aber an eine Überquerung des Baches war auch dort nicht zu denken, der Druck des Wassers hätte ihm vermutlich sofort die Beine weggerissen.
    Meriwether saß in der Falle. Alleine kam er hier nicht mehr heraus.
    »Wir brauchen ein Seil!«, meinte Burr. »Das könnte man ihm von schräg von oben hinüberwerfen!«
    »Ein Seil? Wo kriegen wir hier so etwas her?«, fragte Bradley und zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Ich steige ab ins Tal und hole Hilfe. Du bleibst derweil bei Meriwether und passt auf, dass er keine weiteren Dummheiten anstellt!«
    Burr hatte keine Ahnung, wie lange er nun schon unterwegs war. Immer wieder blieb er stehen und prägte sich die Route durch das unwegsame Gelände ein. Ein riesiger gekippter Felsquader… ein abgestorbener Baum… eine vom Wandfuß herabziehende Rinne… eine große flechtenbewachsene Platte…
    Hundegebell! Dann wieder Stille. Nur noch der Wind…
    Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht. Da, wieder, diesmal deutlicher, näher! Er blieb stehen, lauschte. Links, es kommt von links unten. Burr hastete vorwärts, riss sich die Hände blutig, rutschte aus, fing sich wieder, überlegte, ob er rufen sollte. Aber wie sollten sie ihn zwischen diesen Gräben und Büschen sehen? Das Gebell kam näher, wurde lauter. Vor ihm lichtete sich mit einem Mal das Gestrüpp, der schwarze Hund hatte ihn nun entdeckt und raste mit wütendem Kläffen auf ihn zu. Ein gellender Pfiff riss ihn zurück. Knurrend und mit gefletschten Zähnen blieb er zwar stehen, aber Burr zog es dennoch vor, einen großen Bogen um ihn zu machen. Die beiden Männer, die damit beschäftigt waren, das Heu einzubringen, hielten beinahe gleichzeitig mit ihrer Arbeit inne. Bestimmt war es einer dieser verrückten Engländer aus Chamonix oder Argentiere, die jedes Jahr hier einfielen und die nichts besseres zu tun hatten, als hier in den Bergen herumzusteigen, und noch behaupteten, das sei ein Vergnügen.
    Mon Dieu, ein Vergnügen! Die Herren sollten einmal hier leben und sich das Brot mit ihrer Hände Arbeit verdienen müssen! Tatsächlich – der Fremde sprach zwar Französisch, sogar recht gut, aber trotzdem war ihm anzuhören, dass er kein Franzose war.
    Burr hielt sich nicht mit einer langatmigen Erklärung auf, sondern erzählte knapp, was passiert sei und dass er ein Seil brauche.
    Die beiden Männer waren beide so um die vierzig, knorrig, untersetzt und wettergegerbt. Den Gesichtern nach zu urteilen waren sie Brüder. Der größere zeigte nach oben, sah zuerst Burr, dann seinen Bruder ungläubig an.
    »Glacier du Tour«, sagte er dann und schüttelte den Kopf.
    Der andere tat es ihm gleich, hob seinen Hut ein wenig von der Seite her an und kratzte sich dann nachdenklich. Dann unterhielten sie sich einige Zeit in dem ihm kaum verständlichen Dialekt des Tales und nickten dann entschlossen.
    »Wir kommen mit!«
    George Lincoln war es, als ob ihm ein Stein vom Herzen fiele. Der Kleinere band den Hund an der Bank unter dem Vordach fest, langte zwei Heuseile von der Wand des Stadels, warf sie über die Schulter und begann ohne ein Wort mit dem Aufstieg.
    »Wir waren noch nie da oben. Was haben wir da zu suchen, da gibt es nichts als Steine und Eis!«, meinte der Kleinere. In seiner Stimme war der Vorwurf nicht zu überhören.
    Schon von weitem sahen sie Bradley winken. Meriwether saß immer noch unbeweglich auf dem schmalen Geröllstreifen über dem Abgrund. Emile und Joseph, so hießen die beiden, stiegen wortlos hinter Burr her, hinauf zu der Stelle, an der seiner Meinung nach am ehesten ein Durchkommen war. Die Brüder nickten zustimmend, starrten dann aber ratlos auf die beiden Seile.
    »Was

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