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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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entsetzt an.
    »Wir können aber nicht klettern!«, sagte Bradley beinahe trotzig.
    »Ich auch nicht!«, entgegnete Burr. »Aber wir haben keine andere Wahl. Entweder hier herunter oder zurück auf den Gletscher und hoffen, dort unsere Aufstiegsroute wieder zu finden! Aber wir haben schon späten Nachmittag!«
    George Lincoln überlegte nicht lange, nahm seinen Eispickel auf und schob ihn von oben her zwischen Rücken und Rucksack. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um, Bradley und Meriwether folgen ihm nur zögernd. Als sie dann sahen, wo sie hinunter sollten, fuhr beiden der Schreck in die Glieder.
    Aber nicht nur ihnen, auch Burr war mulmig zu Mute, auch wenn er es niemals zugegeben hätte. Vor ihnen zog ein kaminartiger Riss fast senkrecht in die Tiefe, endete auf einem Band, das höchstens die Breite eines schmalen Tisches hatte.
    Ein paar Meter daneben schoss aus dem Gletschereis milchig trüb ein Wasserfall talwärts. George Lincoln suchte sich zwei gute Griffe und ließ sich über die Kante gleiten. Seine Beine baumelten nun über dem Abgrund, tasteten nach Tritten, zuerst noch mit erzwungener Ruhe, dann aber zunehmend hektischer werdend. Es nutzte alles nichts, er musste sich mehr strecken, sich nicht so krampfhaft mit gebeugten Armen an die Griffe klammern. Endlich! Mit dem linken Fuß erfühlte er einen Vorsprung, gleich darauf auch mit dem rechten. Vorsichtig löste er nun seine Rechte, fand für sie eine nach innen gewölbte Leiste, hatte nun drei Haltepunkte und langte mit der anderen Hand in eine bierkrughenkelgroße Vertiefung.
    »Da ist ein Griff und hier ist rechts ein großer Tritt, es geht ganz leicht!«, rief er nach oben. Heikel wurde es im unteren Teil, dort, wo sich die sprühende Gischt über die Felsen legte und diese mit einer glitschigen Schicht überzogen hatte. Burr wusste, wenn er hier abrutschte, würde ihm kein Zahn mehr wehtun. Er zwang sich, nicht hinabzusehen in die gähnende Tiefe, die sich dann sofort jedes Mal an seinen Beinen festsaugte und ihn aus der Wand zu ziehen drohte. Aufatmend schwang er sich hinab auf das schotterige Band, von wo aus es in leichteres Gelände ging. Nun war Bradley an der Reihe.
    Burr schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Aber Bradley stellte sich gar nicht so ungeschickt an.
    Zwar langsam, aber dafür stetig kam er tiefer. Als er wohlbehalten endlich neben ihm stand, gestand er, noch nie in seinem Leben so viel Angst gehabt zu haben.
    »Ich auch nicht!«, gab Burr unumwunden zu.
    Beide warteten nun auf Meriwether, der es bestimmt auch schaffen würde. Aber der kam nicht. Sie riefen, schrieen sich die Lungen halb aus dem Leib, aber kein Meriwether ließ sich blicken.
    »Was macht er denn? Er kann doch nicht da oben sitzen bleiben!«
    »Keine Ahnung! Vielleicht sehe ich nach!«, entgegnete George Lincoln, während sein Blick den Kamin abtastete.
    »Da!« Bradley stieß einen entsetzten Schrei aus und deutete nach oben, noch über den Wasserfall, hinauf auf den Auslauf des Gletschers.
    Etwas Dunkles kam heruntergeschossen, sprang in die Höhe, überschlug sich. Deutlich waren mit Gamaschen umwickelte Beine auszumachen, kurz blitzte die Haue des Eispickels im Sonnenlicht, dann war der Spuk verschwunden.
    »Meriwether! Du… Rhinozeros!«
    Bradley war wie von Sinnen, Burr wie gelähmt. Schon von hier aus konnte man sehen, dass die Gletscherzunge oberhalb einer Felswand endete, über die ihr Gefährte unweigerlich wie eine Kanonenkugel in die Tiefe katapultiert werden musste.
    Das überlebte niemand!
    Unten im Tal glitzerte das Band der Arve, ein paar winzige Fuhrwerke waren auf der Straße zu erkennen und weiter vorne waren die Häuser von Argentiere. Wie in Trance tapste Burr nun das Band entlang, hinüber in das schrofige Gelände, in der Hoffnung, von dort aus eine bessere Übersicht zu bekommen.
    Als er die Felswand sah, über die Meriwether
    hinausgeschossen war, zog sich alles in ihm zusammen.
    Irgendwo da unten musste er liegen, zerschmettert, tot. Daran gab es keinen Zweifel. Burr zwang sich, den Blick nach unten zu richten. Seine Augen hasteten über die verblockten Felsen, das Bachbett, die Schrofen… nein, so weit drüben konnte er nicht liegen. Vielleicht im Gestrüpp? Auch da sah er nichts. Er blickte nun wieder nach oben, um in etwa Meriwethers Flugbahn abzuschätzen, als ihm der Atem stockte. Nein, das war nicht möglich! So etwas kam höchstens in schlechten Romanen vor! Einen, vielleicht waren es auch zwei Meter von

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