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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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jedoch vorschlug, die Franzosen allesamt freizulassen, wurde er richtig wütend.
    »Laufen lassen soll ich sie?«, brüllte er los. »Einfach so, als ob nichts geschehen wäre? Damit sie sich gleich beim nächstbesten Haufen verdingen können? Ausgerechnet Ihr kommt auf einen solchen Gedanken, wo doch gerade Ihr Jesuiten heilfroh sein müsst, dass wir die Stadt von den Franzosen befreit haben? Gerade für Euch war es Rettung in buchstäblich letzter Minute!« Emden schüttelte verständnislos den Kopf. »Die Stiefel müsstet Ihr mir küssen, Euer ganzer Orden! Aber nein! Stattdessen erdreistet Ihr Euch, mich um die Freilassung der Franzosen anzugehen. So etwas von Undank ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen!«
    Spee wartete, bis Emden nichts mehr einfiel und dessen Wut sich langsam legte. »Wie viele Franzosen habt Ihr gefangen genommen?«
    »So um die fünfhundert!«, knurrte der General gereizt.
    »Fünfhundert«, erwiderte Spee, »plus zwölfhundert Eurer eigenen Soldaten macht siebzehnhundert. Wie viele Einwohner hat Trier?« Er wartete nicht erst lange auf eine Antwort. »Etwa dreitausend. Männer, Frauen und Kinder zusammen. Die Franzosen waren an die tausend Mann und konnten schon kaum ernährt werden. Jetzt sollen die Bürger für fast doppelt so viele Soldaten aufkommen…«
    »Das weiß ich selbst. Aber verlasst Euch darauf: Da bin ich schon mit ganz anderen Schwierigkeiten fertig geworden. Die Franzosen bleiben als Faustpfand und damit ist alles besprochen!« Der General drehte Spee abrupt den Rücken zu und beachtete ihn nicht weiter. Dieser aber war vorerst zufrieden, wenigstens für die verwundeten Franzosen eine Linderung ihres Schicksals erreicht zu haben.
    Ein paar Wochen waren seither ins Land gegangen. Die Trierer Bürger ächzten und stöhnten unter der Abgabenlast und die kaiserlichen Soldaten murrten über die karge Nahrung, die sie außerdem noch mit den Feinden teilen mussten. An einem frühen Vormittag klopfte ein Bote an die Pforte des Jesuitenkollegs und verlangte nach Pater Friedrich Spee von Langenfeld, der sich unverzüglich bei General Emden zu melden habe. Der sei im Sommerhaus bei den Verwundeten, hieß es, worauf sich der Soldat, nicht ohne vorher ein paar kräftige Flüche abzulassen, auf den Weg hinüber auf die andere Moselseite machte.
    Emden machte einen sichtlich genervten Eindruck. Von seiner Arroganz war nicht mehr viel übrig. »Pater«, kam er ohne Umschweife zum Thema, »ich habe mir Euren Vorschlag überlegt. Die Franzosen können gehen, allerdings unter der Bedingung, dass sie unverzüglich nach Frankreich
    verschwinden!«
    Spee war klar, dass es sich nicht um einen Gnadenakt handelte, sondern dem General daran gelegen war, die Gefangenen möglichst schnell loszuwerden, da ihr Unterhalt einfach zu viel Geld kostete. »Das geht nicht!«, sagte er bestimmt und schüttelte den Kopf.
    »Und warum soll das nicht gehen? Zuerst bettelt Ihr mich regelrecht an und jetzt stellt Ihr Euch plötzlich dagegen?
    Langsam verliere ich die Geduld. Wisst Ihr eigentlich, was Ihr wollt?«
    »Mit Verlaub«, entgegnete Spee energisch, »habt Ihr sie schon einmal gesehen? Abgemagert, nur noch Haut und Knochen, barfuß, restlos ausgeplündert, nicht einmal mehr das Nötigste auf dem Leib – wie sollen sie so ohne Rauben und Stehlen nach Frankreich kommen?«
    »Ist das mein Problem? Ich gebe Euch einen Monat Zeit, dafür eine Lösung zu finden!«
    Spee spürte wieder das pochende Stechen in seinem Kopf, wusste, dass ihn gleich ein Schwindel erfassen würde, ballte die Fäuste und wartete, bis der Anfall vorüber war.
    »Also gut!«, sagte er dann. »Ihr könnt Euch darauf verlassen!«
    Zurück im Konvent, suchte er sofort seinen Mitbruder Turck auf. Dieser wiegte sein Haupt bedenklich hin und her. »Wie sollen wir die Leute dazu bringen, freiwillig etwas abzugeben, wo sie selbst kaum mehr das Notwendigste haben?«
    »Predigen. Wir müssen ihnen von der Kanzel aus klar machen, dass letztlich sie es sind, die ansonsten die Gefangenen auf womöglich unabsehbare Zeit durchfüttern müssen. Ich selbst werde von Haus zu Haus gehen und ihnen ins Gewissen reden!«
    Nach knapp vier Wochen war es so weit. Jeden Tag war Spee bis spät in die Nacht durch die Stadt gezogen, hatte gebettelt, gefleht, überzeugt und, wenn es nicht anders ging, den einen oder anderen als eigensüchtigen Raffsack bezeichnet, dem man seine Schäbigkeit nicht vergessen werde, wenn das hier einmal alles vorbei

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